Unilever: Vorne Plastik verteufeln, hinten für Plastik lobbyieren?
Ein Bericht von «Reuters» erhebt «Greenwashing»-Vorwürfe gegen den Konsumgüter-Konzern.
24.06.2022Bild von: Dustan Woodhouse on UnsplashIn den kleinen Shops Asiens liegen sie so eng bei der Kasse wie die Ketchup-Beutelchen in unseren Kantinen: kleine Portionensäckchen mit Flüssigseife, Shampoo, Waschmittel.
Da sie weitgehend aus Plastik- und Alu-Materialien bestehen, sind diese Sachets natürlich längst auch ein Umwelt-Politikum. Und die Hersteller wissen das.
«Alle unsere Teams arbeiten an drei Aufträgen: Weniger Plastik, besseres Plastik, kein Plastik», sagte Unilever-Konzernchef Alan Jope im Sommer 2020 bei einem Webinar der Umweltschutzorganisation Pew Trust. Dabei erinnerte er zum Beispiel auf Unilevers Refill-Initiativen in Indonesien (ab 47:00).
Sri Lanka, Philippinen, Indien
Die Nachrichtenagentur «Reuters» widmet sich jetzt aber den kleinen Umweltverschmutzern in einem sehr kritischen Bericht über Unilever. Kernaussage: Der britische Mutterkonzern von Marken wie Dove, Cif, Persil und Sunlight inszeniert sich zwar gern als Gegner der Plastik-Verschmutzung. Aber zugleich lobbyierte Unilever in mehreren asiatischen Ländern ausgerechnet gegen Bemühungen, solche Verpackungen zu verbieten oder zu unterbinden.
- Joe Brock, John Geddie, «Reuters»: Special Report: «Unilever's Plastic Playbook. The consumer giant vowed to ditch plastic sachets, single-use packaging that’s swamping poor countries with waste. Privately, it fought to keep using them», Juli 2022.
Konkret beschreiben die «Reuters»-Reporter Fälle in Sri Lanka, auf den Philippinen sowie in Indien. In all diesen Ländern habe Unilever hinter den Kulissen Druck gemacht bei Gesetzesprojekten, welche die Reduktion der Mini-Tütchen anstrebten.
Auf den Philippinen scheiterte ein Verbot denn auch im Parlament; in Indien wurde die Idee dermassen verwässert, dass die Sachets unverändert weiter boomen und in die Flüsse gelangen können.
Allerdings: In Sri Lanka führte die Regierung 2020 tatsächlich ein Verbot von Beuteln unter 20 Millilitern ein – ganz gleich, dass sich Unilever dagegen ausgesprochen hatte. Dann aber umging der Konzern diese Regel, indem es weiterhin 6-Milliliter-Beutelchen verkaufte – diese aber mit Viererpaketen zu 24-Milliliter-Einheiten bündelte.
Vorteil für Ärmere
«Reuters» beruft in seiner Darstellung unter anderem auf einen hohen Beamten des Umweltschutz-Ministeriums in Colombo.
Offiziell lautet das Ziel von Unilever, den konzernweiten Ausstoss von neuem Plastik bis 2025 um über 100'000 Tonnen zu senken; mehr Plastik einzusammeln als auszustossen; und ausschliesslich rezyklierbares Material zu verwenden.
Doch gerade dies ist schwierig bei den mehrschichtigen Mini-Säckchen zum Einmalgebrauch.
Im «Reuters»-Beitrag erklärt der Konzern erstens, dass man sich an die lokalen Gesetze halte; zweitens, dass es ein komplexes technisches Problem sei, aus diesen Beuteln auszusteigen; und drittens, dass die Kleinst-Portionen gerade in ärmeren Ländern wichtig seien: Denn die Bevölkerung könne sie für kleinste Barsummen erwerben. Und die Kunden verbrauchten auf diese Weise tendenziell weniger Inhalt als mit grösseren Flaschen mit grösserer Öffnung.
«Unilever kam auf uns zu und sagte: 'Tut das nicht, die Minibeutel sind ein Grunderzeugnis für arme Leute'», berichtet der erwähnte Beamte in Colombo über die Einflussnahme von Unilever. «Wir sagten: 'Ja, aber ihr habt die armen Leute davon abhängig gemacht.»
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