Getränkebranche im Abstimmungskampf
In Neuenburg entscheidet das Volk am Sonntag über eine obligatorische Zahnpflege-Versicherung. Die Soft-Drink-Hersteller finanzieren die Gegenkampagne.
19.09.2022Die «Tribune de Genève» spitzte es gleich zu: «Coca-Cola finanziert ein 'Nein' gegen die Zahnarzt-Versicherung», lautete ihre Schlagzeile.
Konkreter heisst das: Die Genfer Zeitung hatte herausgefunden, dass der Verband Schweizerischer Mineralquellen und Soft-Drink-Produzenten (SMS) 10'000 Franken für eine kantonale Abstimmungs-Kampagne aufwirft.
Es geht um eine Initiative, die am 25. September 2022 in Neuenburg ansteht, und die verlangt, dass im Kanton eine obligatorische Zahnpflege-Versicherung eingeführt wird. Neuenburg wäre damit der erste Kanton, welcher Zahnbehandlungen der obligatorischen Krankenkasse unterstellt.
Gehts um Umsätze?
Hinter dem Anliegen stehen Gewerkschaften und Linke Parteien (mehr). Dass der nationale Versicherungsverband SVV hier mitwirkt und ebenfalls 10'000 Franken in den Abstimmungskampf investiert, ist naheliegend – und auch erklärbar unterm Motto 'Wehret den Anfängen'. Denn hier würde ein bestehendes Geschäftsfeld der Versicherer quasi in die Grundversicherung überführt.
Doch worauf zielen die Mitglieder des SMS ab – also Firmen wie Coca-Cola oder Rivella? Ein Aspekt: Die Initiative verlangt auch, dass der Kanton mehr in die Prävention gegen Zahnkrankheiten investiert. Mit-Initiant Baptiste Hurni wittert hier die Motivation der Hersteller von Süssgetränken: Sie befürchteten Umsatzverluste, wenn die Menschen besser auf ihre Zähne achten.
Oder gehts um die Finanzierung?
Der SMS widerspricht. Wie Kommunikationschef David Arnold in der «Tribune de Genève» erklärt, wurden die Mittel ursprünlich gesprochen, um einen geplanten Gegenvorschlag zur Initiative zu bekämpfen. Dieser sah vor, auf zuckerhaltige Getränke eine Sondersteuer einzuführen. Am Ende habe man beschlossen, gemeinsam mit Wirtschaftskreisen des Kantons Neuenburg die diversen Aspekte des Pakets zu bekämpfen.
Tatsächlich wenden sich die Wirtschaftsverbände gegen die Initiative – beispielsweise der Gewerbeverband und die Fédération des Entreprises Romandes –, wobei ihnen ein Detail besonders störend erscheint: Die obligatorische Zahn-Versicherung würde teils durch ein Lohn-Prozent finanziert, das Arbeitgeber und Arbeitnehmer berappen müssten.
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