Häme statt Verständnis: Nestlé Deutschland musste Imagefilme abschalten
Der Nahrungsmittelkonzern griff in einer Videoserie grosse Kritikpunkte auf – ohne Erfolg. Der Fall zeigt wieder mal: Das Medium prägt die Botschaft.
27.02.2023Es ist schon bemerkenswert, wie stark und automatisch der Name Nestlé in gewissen Ländern Reaktionen weckt. Das neuste Beispiel kommt aus Deutschland. Dort produzierte die lokale Nestlé-Tochter einige Image-Videos, in denen die Schauspielerin Miriam Piel entscheidenden Kritikpunkten nachging.
«Das hier ist kein Standard-Werbevideo», sagte sie einleitend: «Wir reden mit und über Nestlé, und zwar Klartext. Über Themen, die Nestlé bewegen und für die Nestlé noch heute stark in der Kritik steht.»
Richtiges Licht, grelles Licht
Solche Themen waren beispielsweise Kinderarbeit in Afrika, die Trinkwassernutzung durch den Konzern oder der Einsatz und die Herkunft von Palmöl.
Der Film erntete allerlei Kritik – was zu erwarten war –, aber dann wurde der Widerspruch grösser. Bekannte Youtuber wie «Der dunkle Parabelritter» (460'000 Follower) und «Space Frogs» (1,3 Millionen Follower) schnitten Gegenfilme, in denen sie den Aussagen des Konzerns widersprachen oder sich darüber lustig machten.
Mit der Folge, dass die Aspekte, die Nestlé ins richtige Licht rücken wollte, jetzt nur noch greller im Flutlicht standen.
Film von «Space Frogs», Youtube.
Nestlé Deutschland hat die eigenen Videos nun wieder aus seiner Youtube-Kollektion entfernt.
Der Fall lässt ahnen, dass die für Nestlé unerfreuliche Entwicklung stark auch im Format angelegt war: Ein Imagefilm auf Youtube ist eine gängige Form der Darstellung. Aber inzwischen ist es eben auch eine Einladung für Gegenfilme, die von Youtube-Profis erstens rasch und zweitens effektvoll gemacht werden können. Wobei diese Macher wiederum selber auf der Bekanntheit und der Brisanz einer Marke aufbauen können.
Die Gegenfilme grosser Youtuber haben dann einen viralen Effekt, der rasch über die übliche Graswurzel-Kritik in Sozialen Medien hinausgehen. Sie können, das ist die Gefahr, eine unerwartete Wucht entfalten.
«Falscher Weg»
«Das übergeordnete Ziel war, zu informieren. Wir wollten aufklären und Hintergründe darstellen und Fakten vermitteln», erklärte Alexander Antonoff, Head of Media Relations von Nestlé Deutschland, gegenüber «Watson». «Wir wollen transparent vermitteln, was wir machen und wie wir es machen.»
Offenbar hätten die Filme aber zu stark polarisiert. «Jeder kann jetzt sehen, dass wir die entsprechenden Konsequenzen gezogen haben und die Videos wieder offline genommen haben. Das zeigt, dass das nicht der Weg ist, den wir gehen möchten.»
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