Könnte ja sein: So baut die Migros um und fährt in die Zukunft

Bald hat der Dutti-Konzern 100 Jahre auf dem Buckel. Doch wie wird die Zukunft dannzumal angepeilt? Ein Gedankenspiel.

12.05.2023
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Die Frage zum 100-Jahre-Jubiläum: Wer hat das Steuer in der Hand? | Bild: PD Migros
Ausser bei der Einführung von Kaffeekugeln und beim überraschenden Rücktritt von Fabrice Zumbrunnen produzierte die Migros in den letzten zwei Jahren selten so viele Schlagzeilen wie in den letzten 24 Stunden – obwohl es eigentlich wenig zu vermelden gab.
Denn dass die «Verwaltung» des Migros Genossenschafts Bundes (MGB), wie Mitte Mai geschehen, eine neue Supermarkt-Struktur durchwinkt, war völlig absehbar. Dass die Regionalgenossenschaften nachziehen, war am Ende auch erwartet worden.
Doch nun scheiden sich die Geister über die Sinnhaftigkeit des Unternehmens.
Mit dem Entscheid werde womöglich das Ende der Schweizer Retail-Ikone eingeläutet – so der Tenor in der «Handelszeitung». Denn nun drohe vollends ein byzantinisches Strukturgewirr.
Die «CH-Medien» wiederum finden den Schritt vielversprechend, auch wenn nicht absehbar sei, ob dabei was Gutes herauskommt.
Es könnten dereinst tiefere Preise herausschauen, simpelt der «Blick» fach, denn die Marktmacht des neuen Gebildes könnte steigen.
Wie auch immer: Die Migros-Gremien, die sich nun mit der Umsetzung des Entscheids herumschlagen müssen, sollten einen Blick auf das Jahr 2025 werfen: Dann wird die Migros 100 Jahre alt. Und die wichtigen Fragen lauten: Wer wird dannzumal Reden schwingen, wer in die Posaune stossen – und wer ist weg?
Stellen wir es uns vor:
Dienstag, 10. Juni 2025: Festanlass zu «100 Jahre Migros» in der grossen Aula beim Personalrestaurant «Guggi» im Migros-Turm am Zürcher Limmatplatz.
«Irmhelm», wie die Migros-Mitarbeiter ihr Zweiergespann aus Mario Irminger und Peter Diethelm liebevoll nennen, posieren auf dem Podium. Ihnen steht die Freude ins Gesicht geschrieben.
Sie haben sich geeinigt: MGB-Chef Irminger verliest die vergangenen Triumphe der Dutti-Genossenschaft. Peter Diethelm, einst Chef der Migros Ostschweiz und CEO der vor einem Jahr gegründeten «Migros Supermarkt AG», darf den Paukenschlag versetzen.
In der ersten Reihe sitzen gut gelaunt die eingeweihten Departementschefs des MGB, zwischen ihnen verteilt: Bundesräte, Influencerinnen, Verwaltungspräsidentin Ursula Nold und natürlich ausgewählte Genossenschafter aus allen Ecken des Landes.
Eine Reihe dahinter schmollen seit einer halben Stunde die Leiter der Regionalgenossenschaften. Die ehemaligen «Fürsten» waren zu früh gekommen, weil sie in ihren Landsitzen zu wenig zu tun hatten, nachdem man ihnen durch die Gründung der Migros Supermarkt AG die Hauptverantwortung für ihre Supermärkte genommen hatte.
«Wir durchschlagen die gordische Seilschaft im Hause Migros.»
Irminger schüttelt mit Diethelm kräftig und ausgiebig die Hände, bevor er zum Mikrofon schreitet und das Schlüsselwort des Anlasses in den Mund nimmt: «Dutti.»
Eine halbe Stunde und 100 Jahre Migros-Geschichte später lässt Irminger den Applaus abbranden, schüttelt Diethelm erneut die Hände, der nun ans Mikrofon tritt.
«Meine lieben Migros-Kinder, Mitbesitzerinnen, verehrte Frauen und Herren Bundesräte. Die Migros schaut heute nicht nur in die Vergangenheit.» Rhetorische Pause. «Wir blicken auch in die Zukunft. Und ich darf Ihnen hier mitteilen, dass wir den Plan beschlossen haben, die Migros weiter einen zu wollen.»
Gemurmel im Saal. «Unser Vorschlag: Wir durchschlagen die gordische Seilschaft im Hause Migros und formen aus MGB, der Migros Supermarkt AG, der Migros Fachmarkt AG und der Migros Industrie AG die One-and-only-Migros-AG
Als den Genossenschaftern in der ersten Reihe der Unglaube ins Gesicht schleicht, fügt er an: «Keine Angst: Die Migros AG gehört über den Migros Genossenschafts Bund weiterhin allen Mitbesitzerinnen. Sie soll lediglich wie unter Dutti selig schlagkräftig und zentral geführt werden.» Die Genossenschafter lächeln wieder zaghaft.
«Die zehn Regionen sind das Herz unseres Unternehmens. Darum wird jede von ihnen hier im Migros-Turm ein eigenes Stockwerk erhalten.»
«Der Migros-Genossenschafts-Bund zieht nach Rüschlikon, in den Briefkasten rechts unten im Gottlieb-Duttweiler-Institut. Seine Mitarbeiter bleiben hier in diesem schönen Haus und machen ihre Arbeit – für die Migros AG.»
Unruhe in den Regionen der zweiten Reihe. Diethelm blickt zu Irminger, der ihm aufmunternd zuzwinkert.
«Die zehn Regionen sind das Herz unseres Unternehmens. Darum wird jede von ihnen hier im Migros-Turm ein eigenes Stockwerk erhalten.» Er blickt zu den Delegationen der Migros Genossenschaften Tessin und Wallis: «Ja, auch die ganz Kleinen unter euch bekommen eine ganze Etage, und zwar direkt über dem Personalrestaurant!»
Erster Applaus.
«Gemeinsam machen wir dieses grossartige Unternehmen zum schlanksten, günstigsten, sportlichsten und gesündesten der Schweiz.»
«Gemeinsam führen wir die Migros in die kommenden 100 Jahre, die von grandiosem Wachstum, unzähligen Innovationen und einem stetigen Wandel geprägt sein werden.»
Das Publikum spendet eine Standing Ovation.
25. Mai 2023: Die letzten Verwaltungen der Migros-Regionalgenossenschaften haben «Ja» zur Neustrukturierung des Supermarktgeschäftes gesagt. Sie freuen sich darüber, dass schon bald alles «einfacher und effektiver» wird.
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