Wann steckt zu viel Zucker und Fett in einem Lebensmittel, um es noch als «nahrhaft» anpreisen zu können? Und sollte der Staat einschreiten, um deren Gehalt generell zu regulieren?
In Grossbritannien ist zu diesen Fragen ein heftiger Streit entbrannt. Entzündet hat er sich am Wort «nutritious», mit dem auf einer Website des Schweizer Multis Nestlé für dessen neue KitKat-Cerealien geworben wurde.
Das «Corpus delicti»: KitKat-Cereal von Nestlé | Bild: PD Nestlé
Nun giesst der Vorsitzende der britischen Danone-Tochtergesellschaft, James Mayer, weiter Brennstoff in die hitzige Debatte. Er hält
gegenüber der Zeitung «Observer» «ein sinnvolles Eingreifen der Regierung» für notwendig. Denn: «Die Bemühungen der britischen Lebensmittelindustrie, das Gesundheitsprofil ihrer Produkte zu verbessern, gehen nicht schnell genug.»
Mayer sitzt zwar mit im Glashaus, doch da Danone in den letzten Jahren sein Sortiment auf «gesündere» Artikel wie kalorienreduzierte Milchprodukte oder pflanzenbasierte Käse ausgeweitet hat, fällt es dem Food-Multi aus Frankreich leichter, sich von Zucker und Fett zu verabschieden als der Konkurrenz vom Genfersee mit ihren Schokoladen und Tiefkühlpizzen.
Nestlé UK beschwichtigt: Das Wort «nutritious» für die neuen Cerealien sei nur versehentlich auf einer Website aufgeführt worden. Dort wurde es auch wieder gelöscht.
Nestlé halte sich an seine eigenen Vorgaben, führt das Unternehmen
gegenüber dem Fachmedium «Food-Navigator» an: 84 Prozent der im Vereinigten Königreich verkauften Nestlé-Frühstückscerealien seien offiziell «als nicht-HFSS-haltig eingestuft sind» – entthalten also keine hohen Anteile an Zucker, Fett und Salz.
«Und wir wollen auch Frühstückszerealien für diejenigen anbieten, die eine gelegentliche und genussvollere Frühstücksvariante suchen.»
Dazu kommt: «Nutritious» ist keineswegs klar definiert. Es schwebt inhaltlich zwischen «gut nährend», «nahrhaft» und «vollwertig». Ist also ein Müesli mit 25 Prozent Zucker – wie im Fall der KitKat-Cerealien – «nutritious»?
Darf man KitKat als Cerealien verkaufen?
Die Kritik allerdings ist kaum mehr zu stoppen:
Laut der Zeitung «Sun» halten es die Kinder- und Zahnärzte auf der Insel für «unverantwortlich», überhaupt ein Frühstücksmüeseli auf Grundlage eines Schokoriegels zu kreieren. Einzig der konservative
«Telegraph» schreibt im Meinungsteil, die «Gesundheitspolizei» solle aufhören, über das neue Produkt zu jammern.
Letztlich geht es beim Streit um die Metafrage der Lebensmittelindustrie: Soll der Staat den Gehalt von potenziell «ungesunden» Ingredienzen wie Zucker, Fett und Salz in Lebensmitteln vorschreiben?
«Erklärung von Mailand» in der Kritik
In der Schweiz haben bisher 24 Lebensmittelhersteller die «Erklärung von Mailand» des Bundes unterschrieben, die eine Zuckerreduktion in deren Produkten um mindestens 10 Prozent bis 2024 vorschreibt. «Das wird aber nicht ausreichen», melden Fachleute gegenüber Konsider an, die in einem im Mai präsentierten «Zuckermanifest» weitere Reduktionen verlangt haben.
Absehbar ist: Wenn die ersten Lebensmittelhersteller nach dem Staat als Regulator von Zutatenlisten rufen, wird dieser nicht lange warten und sich gerne des Dossiers annehmen. Für Danone könnte das mit einem Schuss ins eigene Bein enden.