Wie die Nivea-Büchse plötzlich 35 Prozent teurer wird

Produkte von Beiersdorf schlagen massiv auf. Coop gibt die Preiserhöhungen beim Einkauf an die Kundschaft weiter.

30.08.2022
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Bei Coop neu um einen Drittel teurer: Nivea Creme von Beiersdorf | Bild: PD Beiersdorf
3.10 Franken statt 2.30 Franken kostet die beliebte blaue 150-Gramm-Dose mit Nivea Creme neuerdings bei Coop. Der happige Aufschlag um mehr als einen Drittel ist nicht der einzige Preissprung für ein Produkt von Beiersdorf.
Wie der Konzern in der «Coopzeitung» von heute auflistet, schlagen zwei Deo Roll-ons von Nivea um rund einen Viertel auf, Rasierschaum um 18 Prozent und ein Duschgel um 5 Prozent. Auch ein Pflasterset von der Beiersdorf-Tochter Hansaplast kostet neu einen Zehntel mehr. Bereits im Mai musste Coop die Preise für die beliebte Nivea «Pflegedusche Crème Soft» um knapp 17 Prozent hochsetzen.
All das wirkt einigermassen schräg angesichts des gut geschmierten Geschäfts der Hamburger. An der Präsentation des Halbjahresberichtes konnte Beiersdorf noch Anfang August Optimismus verbreiten, auch für das zweite Semester: Man plane ein «erwartetes Umsatzwachstum am oberen Ende des mittleren einstelligen Bereichs».
Die Zahlen für das erste Halbjahr glänzten ebenfalls: Der Beiersdorf-Konzernumsatz war um über 10 Prozent, der operative Gewinn gar um über 15 Prozent gestiegen (mehr). Das heisst: Die Margen konnten in jenem Zeitraum gut gehalten werden.

Spar-Chef: Nivea könnte aus Regalen fliegen

Reitet das Hamburger Unternehmen einfach souverän auf der Verteuerungswelle? Oder schröpft es die Kundschaft?
In Nachbarland jedenfalls sorgen die Aufschläge schon für Unmut. Markus Kaser, Vorstand von Spar Österreich, sprach am Montag im Radio Ö1 Klartext. Auf die Fragen nach den Folgen stark erhöhter Einstandspreise sagte Kaser: «Es ist absolut denkbar, dass wir Nivea-Produkte aus dem Regal nehmen.» Denn Kunden würden die Kosmetika «einfach gar nicht mehr kaufen», wenn sie zu teuer würden.
Das Argument, die Preise stiegen wegen den äusseren Krisen, liess der Spar-Manager nicht gelten: «Mit Sicherheit nicht alles, was angetragen wird an Preiserhöhungen», sei auf die Ukraine- und Energiekrise zurückzuführen. Vielmehr überlege sich der eine oder andere Konzern, wie er «im Windschatten» der Krisen etwas mehr Gewinn machen könne.
Unverhohlen spricht der Chef von Spar in Österreich von der «Gier der Konzerne» – auf Neudeutsch: «Greedflation». «Wir verdienen im Jahr 1 bis 3 Prozent. Und 1 bis 3 Prozent ist eine ganz andere Nummer als 15 oder 20 Prozent. Mir geht es um die, die jenseits von 10 Prozent in Zeiten wie diesen verdienen wollen und behaupten, das zu müssen.»

Coop im Nivea-Clinch

In der Schweiz erachtet die Coop-Gruppe die aktuellen Preiserhöhungen von Beiersdorf für Nivea-Produkte hingegen als unumgänglich. «Müssen unvermeidbare Preisanpassungen vorgenommen werden, kommunizieren wir diese in der Coopzeitung. Dies war bei ausgewählten Nivea-Produkten der Fall», schreibt die Medienstelle der Genossenschaft.
Gegenwärtig erhalte man «von verschiedenen Lieferanten Preisforderungen aufgrund von erhöhten Rohstoffpreisen, knappem Verpackungsmaterial sowie gestiegenen Transport- und Energiekosten. Grundsätzlich beobachten wir die Entwicklung genau und prüfen jede Forderung detailliert.»
Vorerst also wird sich Coop nicht wegen Preiserhöhungen mit Beiersdorf anlegen.

Keine Konfrontation

Unvergessen ist in der Branche, wie die Migros im Frühjahr 2019 zahlreiche Beiersdorf-Produkte aus den Regalen warf: Die M-Manager waren damals verärgert über die Differenz zwischen den Verkaufspreisen in Deutschland und den (höheren) Einstandpreisen, die Beiersdorf vom Schweizer Detailhandel verlangte.
Auch Coop suchte 2015 die Konfrontation mit dem deutschen Hersteller. Damals litt der Basler Konzern unter den Einkäufen der Schweizer Kunden jenseits der Landesgrenze.
Die Einstandspreise für «Nivea und Co» in der Schweiz seien «immer noch zu hoch», kritisierte Philipp Wyss – damals Chef-Einkäufer und heute CEO von Coop – vor 7 Jahren. Wenn die Markenhersteller nicht einlenken, so Wyss damals, werde Coop vermehrt parallel importieren.

Tiefere Inflation – starker Franken

Heute sieht die Lage anders aus: Parallelimporte stehen nicht zur Diskussion. Zudem steigt die Teuerung in der Schweiz deutlich langsamer an als in den umliegenden Ländern – rund 3 Prozent im Vergleich zu über 10 Prozent etwa in Österreich.
Dadurch leiden die Kunden hier weniger unter der inflationären Preisen. Zudem profitieren die Importeure vom starken Schweizer Franken. Die Schweizer Haushalte sind vorläufig in der Lage, mehr für ihre Markenartikel zu berappen als bisher, wenn die Konsumgüter-Hersteller darauf pochen.
Eine Stellungnahme von Beiersdorf war bislang nicht erhältlich.
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