Man kann das in der heutigen Zeit natürlich sehr positiv sehen: Inmitten einer trüben Stimmung an den Finanzmärkten fliesst hier viel Geld in den E-Commerce. Und zwischen Börsencrash, Inflationsängsten, Zinssorgen und Lieferengpässen setzen grosse Player immer noch gewaltige Summen auf die Zukunft des Detailhandels.
Dies jedenfalls zeigt die
Meldung vom Freitag, dass die Rohlik Group in einer neuen Finanzierungsrunde 220 Millionen Euro aufnehmen konnte. Angeführt wurde das Engagement beim tschechischen Gross-Startup von
Sofina (einer börsenkotierten Investmentgesellschaft aus Brüssel) sowie von
Index Ventures (einer Risikokapital-Firma mit Sitz in San Francisco).
Ein Einhorn mehr
Eine Folge: Rohlik, gegründet 2015 in Prag, wird nun mit mehr als einer Milliarde Euro beziehungsweise Franken bewertet. Ein Einhorn mehr.
«Die Mittel dienen dazu, technische Neuerungen zu beschleunigen, darunter die Automatisierung von Logistik-Zentren und die Elektromobilität – sowie für die weitere Expansion in bestehenden Märkten», erklärt Tomáš Čupr, der Gründer des Unternehmens mit Sitz in Prag.
Von Ost nach West
Rohlik? Der Name bedeutet Gipfeli. Die Firma hatte bereits im letzten Jahr 190 Millionen an frischem Wagniskapital erhalten. Sie ist ein klassischer Quick-Commerce-Player, der vor allem darum kämpft, durch hohes Liefertempo die Konkurrenz zu bedrängen. Rohlik beansprucht für sich, 85 Prozent ihrer Aufträge innert 90 Minuten auszuführen.
Bemerkenswert ist obendrein, dass hier erstens ein Food-Delivery-Player entschlossen eine internationale Strategie verfolgt und dass er dabei – zweitens – von Ost-Mitteleuropa aus Richtung Westen vorstösst.
Tomáš Čupr, der heute 39jährige Gründer, hatte 2012 in seiner Heimat ein Food-Liefer-Startup namens Damejidlo gestartet, das er zwei Jahre später an Delivery Hero verkaufen konnte.
Gurkerl und Knuspr
Umgehend legte er mit Rohlik neu los. Erst expandierte er in Prag, dann startete Rohlik eine Plattform in Budapest, dann in Wien (unter dem Namen
Gurkerl.at), und im Sommer 2021 folgte der Start in München sowie Frankfurt, diesmal unter dem Namen
Knuspr. Als nächstes sind Bukarest, Mailand und Madrid an der Reihe.
Laut eigenen Angaben belieferte Rohlik letztes Jahr über 1 Million Kunden und erreichte einen Umsatz von 500 Millionen Euro – wobei der tschechische Heimmarkt die dominierende Basis bildet.
Zum Charakter von Rohlik gehört (neben dem Tempo) eine Konzentration auf wirklich grosse Ballungsräume – und andererseits das Versprechen, dass die Kunden mit landwirtschaftlichen Produkten aus der Nähe beliefert werden.
«Eat well, live well», so das Konzernmotto; in Deutschland präsentiert sich Knuspr als «Supermarkt & Hofladen auf einen Klick».
Insofern könnte man auch sagen: Rohlik, Gipferl und Knuspr – das bedeutet in der Schweiz am ehesten Farmy.