Bericht: Lindt-Aussendienst demoliert eigene Schokolade

Bereits vor dem Ablaufdatum geht Lindt&Sprüngli radikal gegen jede weitere Verwendung vor: Ein Einzel-Fall in Deutschland kommt in der «Food Waste»-Debatte schief an.

23.12.2022
image
Symbolbild: Brayden Itsaret U. Lakselvhaug on Unsplash von: on Unsplash
In Deutschland droht dem Schweizer Schokolade-Konzern Lindt & Sprüngli just zu Weihnachten ein «Shitstorm»: Wie mehrere Medien melden, «demolieren» Vertriebsleute der Firma die eigenen Schokoladenprodukte (hier, hier, hier, hier, hier). Und die erwartbaren Reaktionen lassen nicht auf sich warten.
Konkret sollen Lindt-Angestellte in den Filialen selber mit einem Kartonmesser oder einem Kugelschreiber die Schokoladen- oder Pralinen-Packungen derart aufschlitzen, dass auch die Schokolade selber zerstört wird. So schildert es der Chef der Edeka-Filialen in Nordhessen, Ehrenfried Schorn, gegenüber «T-Online». In einem seiner Läden seien mehr als 25 Produkte so beschädigt worden, so Schorn.
Angegangen wurden jeweils Waren, die kurz vor Ende des Haltbarkeits-Datums standen. Das Regalmanagement liegt beim Hersteller – und bislang konnten die Edeka-Märkte die Produkte, welche die Aussendienstler aussonderten, spenden oder stark reduziert verkaufen.
Lindt erklärt in Deutschland den Vorgang mit dem Gesundheitsschutz und entsprechenden juristischen Zwängen.
Aber obendrein handelt es sich wohl auch um einen Einzelfall.

Darf man das? Muss man sogar?

«Wir bedauern diesen Einzelfall sehr und er wurde bereits eingehend mit dem Mitarbeiter besprochen», sagt ein Mediensprecher gegenüber Konsider. «Um diese Praxis in Zukunft ausschliessen zu können, haben wir alle unsere Mitarbeitenden für das Nachhaltigkeitsthema sensibilisiert und nochmals auf die reguläre Vorgehensweise hingewiesen, von der nicht abgewichen werden darf.»
In der Tat ist die Sache juristisch gar nicht so simpel. Es stellen sich Fragen wie: Wer trägt denn wirklich die Verantwortung, wenn Edeka solch ein Lindt-Produkt in Umlauf bringt? Wem gehört die Schokolade zum Zeitpunkt der Zerstörung – Edeka oder Lindt?
image
Einzelfälle oder Politik? Aus dem Bericht von T-Online, Screenshot.
Obendrein ist der Vorgang heikel, weil die Politik im ganzen EU-Raum den «Food Waste» als zunehmend wichtiges Thema behandeln. Dabei wird auch der Kult um die Haltbarkeit abgewertet (und das Ablaufdatum wird, wie es etwa britische Supermärkte zunehmend handhaben, wenn möglich ganz gestrichen).
In Deutschland erinnert längst auch das Ernährungs-Ministerium daran: «Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Wegwerfdatum.»

Je früher, desto Nachschub

Edeka-Manager Schorn vermutet, dass der Lindt-Aussendienst durch sein Vorgehen die Umsätze schützen wollte: Dem Detailhandel soll es nicht weiter ermöglicht werden, die Schokolade zu einem massiv gesenkten Preis kurz vor Ablauf im Kassenbereich anzubieten – und damit die Produkte im Regal zu konkurrenzieren.
Zudem könne Lindt mehr frische Ware nachliefern, «je früher man die Sachen aus dem Verkehr zieht», mutmasst Ehrenfried Schorn gegenüber «T-Online».

Einsatz per Outlet

Lindt & Sprüngli betont indes, dass Food-Vernichtung dem Haus fern liege: Man habe Nachhaltigkeit fest verankert in den Unternehmensgrundsätzen.
«Ware, die kurz vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums ist, wird regulär von uns aus dem Handel genommen, um die Warenfrische und Qualität für Konsumentinnen und Konsumenten konstant zu gewährleisten. Dem Handel wird die Ware zur Gänze vergütet und die Ware wird über unsere Lindt Factory Outlets verkauft.»
Ein geringer Teil dieser Schokoladen verbleibt beim Händler und wird durch den Lindt-Vertrieb als verkaufsunfähig gekennzeichnet: Der EAN-Code wird durchgestrichen und die Vorderseite wird mit einem Filzsstift markiert. «Damit ermöglichen wir dem Handel das Weiterverschenken an wohltätige Organisationen», so der Sprecher. Die Form der Kennzeichnung per Taschenmesser statt per Stift «entspricht nicht unserer üblichen Vorgehensweise, die allen Mitarbeitenden bekannt ist.»
  • food
  • handel
  • glacé & schokolade
Artikel teilen

Loading

Comment

Home Delivery
1 x pro Woche. Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Auch interessant

image

Denner: +1.1 Prozent. Fenaco: +1.2 Prozent.

Die ersten Signale aus der Lohnrunde im Detailhandel stellen klar: Es reicht bestenfalls für den Teuerungsausgleich. Und auch das nur knapp.

image

Unilever streicht deutlich weniger Jobs als befürchtet

Im Sommer plante der Konsumgüter-Gigant noch den Abbau von 3'200 Stellen. Nun dürften noch halb so viele Jobs betroffen sein.

image

Was ist der direkteste Weg zur Würfelbouillon?

Eine britische App führt die Kunden durch den Supermarkt – entlang dem Einkaufszettel. Auf Wunsch auch nach dem Prinzip Kochbox.

image

Temu und Shein: 13 Verbände fordern den Bundesrat zum Handeln auf

Dabei soll die Regierung möglichst noch vor dem Weihnachtsgeschäft ein deutliches Signal aussenden.

image

Das Pflanzen-Steak darf Steak genannt werden

Und Veggie-Wurst ist Wurst: Das oberste Gericht der Europäischen Union wandte sich gegen die Fleisch- und Milch-Lobby. Ein Entscheid, der auch fürs Marketing in der Schweiz bedeutsam ist.

image

Parkplätze vor dem Laden? Lieber nicht!

Neue Daten zur ewigen Parkplatz-Debatte: In Shopping-Zonen könnten parkierte Autos den Einkaufsbummel eher verderben.