Das Comeback der Knallhart-Discounter

In Europa entstehen wieder Billig-Ketten, gegen die herkömmliche Discounter wie Denner, Aldi oder Lidl geradezu feudal wirken.

15.12.2022
letzte Aktualisierung: 15.03.2023
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«Basalt»-Geschäft in Kastrup bei Kopenhagen   |  Bild: Salling Group
Nein, mit Charme will dieser Händler nichts verkaufen. Seine Waren liegen auf den Paletten, oft noch in Plastik eingeschweisst, oder man muss sie aus der Schachtel im Regal brechen. Kühl- und Tiefkühlprodukte gibt es nicht (denn das kostet bekanntlich Energie). Überhaupt ist das Angebot sehr beschränkt. Ein Laden führt etwa 800 Artikel.
Was es aber gibt: die täglichen Grundnahrungsmittel zum Tiefstpreis. Vor allem gibt es diese Produkte in rauhen Mengen – Pasta, Flocken, Toilettenpapier, UHT-Milch, Mehl, Seifen, aber auch Gemüse, Früchte und Brot.
Wir sind 15 Prozent billiger als die Billigsten: So das Versprechen der Supermarkt-Kette «Basalt», die derzeit in Dänemark aufgezogen wird.
Dahinter steht die Salling Group, also der grösste Detailhändler des Königreichs (34 Prozent Marktanteil, 54'000 Angestellte, Marken wie Bilka, Netto, Salling). Mit «Basalt» will Konzernchef Per Bank eine Waffe gegen die steigenden Lebenshaltungskosten auffahren. Und er startet eine neue dänische Stufe des Hard Discounts.
«Mit den niedrigsten Preisen auf dem Markt für Güter des täglichen Bedarfs haben wir uns zumindest bemüht, eine konkrete Waffe gegen die Inflation zu entwickeln», liess sich Per Bank zitieren.
Der erste «Basalt» war Ende Oktober 2022 eröffnet worden, dann wurde das Konzept rasch ausgefahren: Vor Weihnachten boten schon zehn Geschäfte ihre Paletten mit Waren.
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Bild: Salling Group
Aktions- oder Volumen-Rabatte gibt es dabei nicht: «Basalt» kennt bloss fixe Tagespreise. Vier von fünf Artikeln sind zu weniger als 20 Dänische Kronen angeschrieben (was in etwa 2,50 Franken entspricht).
Das Prinzip: Kosten runter in jedem Detail. So sind die «Basalt»-Läden abends bereits früher geschlossen als normale Supermärkte; auch das kommt unterm Strich billiger.
Der Fall macht spürbar, wie das Comeback der Teuerung auch das Comeback der Hard-Discounter nach sich zieht. Denn rückblickend fällt auf, wie sehr sich die klassischen Discounter – ob Denner oder Aldi oder Lidl – in den vergangenen drei Jahrzehnten zu Qualitäts-Anbietern upgegradet haben, mit Frischmarkt-Nischen fürs Auge und dem Vegan-Bio-Schnitzel im Angebot. Sie beanspruchen, bei Gourmet-Bewertungen und Konsumententests genauso vorne mitzuspielen wie bei den Tiefpreisen.
Dadurch wurde ein Lücke frei für neue kompromisslose Preis-Runtertreiber.
In Dänemark zeigt sich der Wach-Wechsel geradezu symbolisch: Kaum waren die ersten paar «Basalt»-Shops eröffnet, gab Aldi Nord bekannt, dass es sich aus dem dänischen Markt zurückzieht – nach 45 Jahren im Land. Die meisten der 188 Aldis werden an den norwegischen Discounter Rema 1000 verkauft.

«Lidl auf Doping»

Das Prinzip der Palette und der XXL-Verpackung wird auch im Nachbarland Frankreich frisch gewürdigt. So eröffnete die Casino-Gruppe in der Normandie einen Testladen namens LP – auch hier nach dem Prinzip Palette, Grosspackungen und begrenzte Auswahl. Und Frankreichs Retail-Marktführer Carrefour gab bekannt, dass er ab Herbst 2023 eine neue Ladenkette ausrollen wird. Ihr Name: «Atacadão».
Das ist eine Tochtergesellschaft in Brasilien, die Carrefour 2010 übernommen hatte.
Um den Franzosen zu erklären, was damit auf sie zukommt ist, sprach die Zeitung «20 Minutes» von einem «Lidl sous stéroïde». Womit die Sache wohl für viele schon ziemlich klar ist.
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Gross-Markt: Atacadão-Geschäft in Brasilien  |  PD
Wie «Basalt», so ist auch «Atacadão» ein Knallhart-Discounter, bei dem die Kunden möglichst in rauhen Mengen kaufen sollen. Auch in diesen Läden werden die Jumbo-Packungen auf sehr grosser Fläche hingestellt. Und auch hier dominiert die Palette und das Lagerregal die Ladengestaltung.

Halb Gross-, halb Detailhandel

In Brasilien (sowie Marokko, wo «Atacadão» auch präsent ist) bieten die Megamärkte maximal 10'000 verschiedene Artikel (und dabei möglichst wenig Markenprodukte). Mengenrabatte gibt es nicht, auch keine Treueaktionen oder -Märkli oder -Karten. No frills.
In Spanien folgt Carrefour demselben Prinzip mit der Tochter-Kette «Supeco» (abgekürzt für «super económico»), welche die Franzosen 2012 gegründet hatten, also kurz nach der Übernahme von «Atacadão». Die Zahl der «Supeco»-Märkte hat sich dort in den letzten zwei Jahren von 27 auf 55 verdoppelt.
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Eingeschweisst auch hier: Bild aus einer Supeco-Filiale  |  Bild: Carrefour
Auch hier ist das Ziel, dass das tiefste Konkurrenzniveau nochmals um 10 bis 15 Prozent geschlagen werden muss. Und auch gibt es viele Produkte nur – beispielsweise – in 12er-Packungen oder im 5-Liter-Format.
Kurz: «Atacadão», «Supeco» oder auch «Basalt» stehen auch (übrigens ähnlich wie Costco in den USA) für einen fliessenden Übergang zwischen Grossmarkt und Detailhandel.

Cash & Carry für alle: Das Prinzip in 8 Punkten

  • Grosse Flächen in Stadtrand- und Agglomerations-Gebieten.
  • Kostenminimierung beim Handling: Paletten und Produktetürme statt Regale.
  • Minimierung der Ausgaben für die Ladengestaltung
  • Wenig Frischwaren, wenig (oder keine) Kühlwaren.
  • Kleines Sortiment.
  • Verkauf per Grossverpackung.
  • Keine Aktionen und Promotionen. Allenfalls Rabatte bei grossen Mengen.
  • Hoher Anteil von Eigenmarken.


  • handel
  • food
  • non-food
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