Detailhandel: Milde Gaben statt Teuerungsausgleich

Die Lohn-Gespräche bei Migros, Coop und Fenaco machten eines klar: Fürs Personal im Detailhandel setzt es einen Reallohn-Verlust. Die Gewerkschaften protestieren.

22.11.2022
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Und obendrein ein Zückerli: Angestellter im Detailhandel  |  Bild: PD Fenaco.
Selten war eine Lohnrunde im Detailhandel derart intransparent wie in diesem Herbst. Die Verhandlungen grosser Arbeitgeber wie Migros, Coop und Fenaco mit den Sozialpartnern wurden ohne Einigung beendet. Und in den Mitteilungen der Unternehmen fanden sich die Angaben zur Entwicklung der Lohnsumme irgendwo zwischen Details zu Gutscheinen und Gutschriften, zu Mindest- und Referenzlöhnen.
Kein Wunder auch. Für die Gewerkschaften lautete das grosse Thema: Inflationsausgleich – also mindestens kein Reallohnverlust. So wäre für den Kaufmännischen Verband der volle Teuerungsausgleich für tiefe Einkommen bis monatlich 5'000 Franken «unabdingbar» gewesen. Und für die Gewerkschaft Unia stellte der vollständige Inflationsausgleich eine «rote Linie» dar, die nicht zu unterschreiten sei.

Lohnerhöhungen in Bandbreiten

Rund 3 Prozent dürfte die Teuerung im laufenden Jahr betragen haben, und so ist eines jetzt schon klar: Doch, im Detailhandel gibt es viel Reallohnverlust.
  • Coop erhöht die Lohnsumme um insgesamt 2 Prozent – bei tieferen Löhnen generell, bei Gehältern über 4'500 Franken individuell.
  • Bei der Migros steigen die Vergütungen um 2 bis 2,8 Prozent – je nach Unternehmen und «dessen wirtschaftlicher Herausforderung»; teilweise kann die Erhöhung aber auch nur aus einer einmaligen Gratifikation in Form von Warengutscheinen bestehen.
  • Fenaco – mit den Detaillistenmarken Volg und Landi – erhöht die Lohnsumme um 1,5 Prozent. 1,3 Prozent soll für individuelle Lohnerhöhungen eingesetzt werden; 0,2 Prozent dienen ausserordentlichen Anpassungen (etwa bei Stellen- oder Funktionswechseln).
Denner, Aldi, Lidl und Spar haben noch keine Ergebnisse von Lohnverhandlungen bekanntgegeben.

«Goodies» – auch für die eigene Kasse

Für die Beschäftigten gibt es zudem Gutscheine und Vergünstigungen oder Verbesserungen bei den sozialen Standards. Für die Gewerkschaften ist dies eine bedenkliche Entwicklung: Über «Goodies» in wollten sie ihn den Lohnverhandlungen gar nicht erst reden. «Gutscheine werden zwar jedes Jahr von den Angestellten sehr geschätzt als das, was sie sind: ein umsatzbezogenes Geschenk, das zu den Lohnerhöhungen »: So kommentierte etwa die Syna den gescheiterten Abschluss bei Coop. «Mit einem einmaligen Gutschein können die Löhne aber nicht nachhaltig verbessert werden.» —
Und der Kaufmännische Verband kommentiert das heute veröffentlichten Resultat bei der Migros so: «Mit einem einmaligen Gutschein können die Löhne nicht nachhaltig verbessert werden. Um den Mitarbeitenden eine sichere Existenz zu ermöglichen, müssen die Löhne im Detailhandel strukturell weiter steigen.»
  • Coop gibt wie bereits im letzten Jahr allen Angestellten einen Einkaufsgutschein ab; dessen Wert hängt ab vom Arbeitspensum und beträgt maximal 800 Franken.
  • Migros lässt seinen Tochterunternehmen offen, einen Teil der höheren Lohnsumme als einmalige Gratifikationen in Form von Warengutscheinen zu begleichen. Zudem erhalten alle dem GAV unterstellten Mitarbeiter ab Januar 2023 «mindestens 800 Franken für Migros-Angebote in der Bereichen Klubschule, Fitness und Freizeit» neben einem «Ausbau von Vergünstigungen» – zum Beispiel für Handyabos. Auch erwähnt werden neue «flexible Elternzeitmodelle» und ein höheres Kindergeld für Niedrigverdiener. In Franken und Rappen beziffert werden die zusätzlichen Ausgaben für den Arbeitgeber jedoch nicht.
  • Fenaco gewährt eine Einmalzahlung bis zu 800 Franken, abhängig vom Beschäftigungsgrad. Diese Summe soll dazu dienen, die höheren Lebenshaltungskosten abzufedern. Der Landwirtschaftskonzern senkt zudem die Wochenarbeitszeit in einigen Bereichen um eine Stunde.

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