Geballte Kreativität: Die Inflations-Aktionen der Supermärkte in Europa

Die steigenden Preise treiben den Detailhandel in vielen Ländern dazu, ihre Kundschaft mit Anti-Teuerungs-Ideen zu umwerben. Ein Überblick.

8.07.2022
image
Symbolbild von: Eduardo Soares on Unsplash
Die Schweizer Anbieter können ja noch gelassen sein: Im Mai erreichte die Teuerung hierzulande 3,4 Prozent. Solch ein Niveau wirkt in Grossbritannien, den USA oder im EU-Raum schon seit Monaten idyllisch.
Doch je stärker die Inflation grassiert, desto mehr müssen sich auch die Detailhändler fragen, mit welchen Aktionen sie sich gegen die steigenden Lebenshaltungskosten profilieren können.

«Inflations-Stopp für alle»

Da lohnt der Blick über die Grenze: In vielen Ländern bieten sich die Supermarkt-Ketten bereits einen Wettbewerb darin, mehr Produkte aus der Teuerungs-Spirale herauszunehmen.
Und dieser Trend kommt näher. Soeben kam eine Ankündigung aus Deutschland: Der Lebensmittel-Discounter Netto – bekanntlich ein Grosser im Geschäft – verkündete eine Preisgarantie. 100 Artikel des täglichen Bedarfs sind ab sofort bis Ende Oktober 2022 im Preis fixiert.
image
Inflations-Stopp-Seite mit der Liste der vergünstigten Angebote  |  Screenshot netto.de
Das Motto der Aktion lautet «Inflations-Stopp für alle», erfasst werden klassische Grundbedarfs-Waren: Spaghetti, Haferflocken, Salz und Zucker, Bananen; Eier, Joghurt, Putzmittel, Batterien (zur Liste).
Ähnliche Versprechen gaben schon diverse europäischen Händler ab – von der britischen Drogerie- und Apotheken-Kette Boots, die 1'500 Eigenmarken-Preise fixierte, bis zum belgischen Marktführer Delhaize, der sich einen speziellen Spin ausdachte: Er senkte die Preise von 500 lebenswichtigen Produkten – aber er beachtete dabei den Nutri-Score. Inflationsgeschützt wird bloss, was gesund ist.
  • Hintergrund: Lisa Jack, «Inflation: the supermarket business model is too fragile to shield customers from rising food prices», in: «The Conversation», Mai 2022.
Der Ideen sind viele. Einige Supermärkte binden den Teuerungsschutz an ihre Kundenkarte (bestimmte Basis-Güter geben mehr Punkte). Das britische Unternehmen Iceland berücksichtigt das Alter: Nur Menschen über 60 erhalten einen Inflationsrabatt.
Und speziell ist auch eine Idee von Carrefour: Der Retail-Riese stellt in Frankreich Pakete quasi «fürs Überleben» in die Supermärkte: 30 Produkte zum Gesamtpreis von 30 Euro. Und jedes Paket soll quasi den Wocheneinkauf einer Familie mit dem Notwendigsten abdecken.
Das häufigste Prinzip besteht allerdings einfach in einem Versprechen: Das Unternehmen garantiert, eine Auswahl von Produkten bis zu einem fixen Datum nicht zu verteuern.
Dahinter steht eine einsichtige Logik: Die Discounter und auch die grossen Ketten verdienen ihr Geld nicht mit den grossvolumigen Gütern des täglichen Bedarfs, sondern damit, dass die Kunden auch noch das eine oder andere Premium- beziehungsweise Hochmargen-Produkt in den Einkaufskorb legen.
Und so liegt es nahe, dass sie sich die Treue der Kunden mit günstigen Basis-Gütern bewahren wollen.
«Der Kampf gegen die Inflation ist zum klassischen Preiskampf geworden.»
Doch das birgt Gefahren. Welche, zeigt sich in Grossbritannien – denn dort läuft der Kampf der Inflations-Aktionen schon am längsten: Im Lande des Brexit wurden die steigenden Lebenshaltungskosten früher und heftiger spürbar.
Also wurde das Spiel bereits im Januar durch Aldi eröffnet: Der sehr wachstumsorientierte deutsche Discounter versprach zu Jahresbeginn einfach kategorisch, dass Mr. und Mrs. Consumer in ganzen Jahr 2022 einfach immer und auf allen Produkten die günstigsten Preise finden werden.
Kurz gesagt: Selbst wenn die Inflation kommt, so fällt sie bei Aldi nicht so schmerzhaft aus.
Das Versprechen brachte allerdings die ganze Branche unter schweren Druck, denn nun versuchen andere Häuser wie Sainsbury, Tesco und Morrisons, Aldis Versprechen mit eigenen Inflations-Aktionen auszuhebeln: Der Kampf gegen die hohen Lebenshaltungskosten ist zum klassischen Preiskampf geworden.

Inflations-Aktionen von Detailhändlern in Europa:

Unternehmen
Markt
Aktion
Produkte
Netto
D
Preisgarantie für 100 Produkte bis mindestens Ende Oktober.
z. B. Salz, Zucker, Obst, Gemüse, Eier, Jogurth, Käse.
Carrefour
F
30 Basisgüter werden zum Gesamtpreis von 30 Euro angeboten.
z.B. Teigwaren, Reis, Büchsenbohnen, Zwieback, Taschentücher.
Carrefour
F
Aktion «Prix serré»: Bei 200 Gütern verspricht Carrefour billigste Preise.
Speziell dabei: 150 Güter überall gleich, zusätzlich je nach Region 50 andere Produkte.
Intermarché
F
Treuekarten-Halter bekommen 10 Prozent Ermässigung auf 1'800 Eigenmarken-Produkte.
Alltagsgüter, z.B. Fleischwaren, Milchprodukte, Backwaren.
Lidl
F
Bis Ende August erhält man 5 Prozent Rabatt – nur stationär, sofern man die App einsetzt, einmal pro Monat.
Gesamtes Sortiment.
Leclerc
F
«Bouclier anti-inflation»: Der Kauf von 120 Gütern wird Treuekarten-Haltern direkt als Rabatt gutgeschrieben.
120 der meistverkauften Güter, Eigen- und Fremdmarken.
Delhaize
Be
Senkt Preise für 500 Produkte um 5 bis 30 Prozent.
Produkte des Grundbedarfs. Speziell: vor allem bei Gütern mit gutem Nutri-Score.
Sainsbury
GB
250 «Special Offers», Preise mindestens acht Wochen fixiert.
Frischwaren wie Geflügelfleisch, Obst und Gemüse, auch Chips.
Aldi
GB
Gab zu Jahresbeginn Versprechen ab, stets die tiefsten Preise zu bieten.
Gesamtes Sortiment — «lowest grocery prices through 2022».
Boots
GB
Verspricht, die Preise von 1'500 Produkten bis Ende 2022 nicht zu erhöhen.
Grundlegende Health-, Drogerie-, Hygiene- und Kosmetik-Produkte.
Iceland
GB
Kunden über 60 erhalten jeden Dienstag 10 Prozent Rabatt.
Gesamtes Angebot. Aktion als Hilfe in der «Cost of Living Crisis» deklariert.
Asda
GB
Preise von 100 Produkten gesenkt und fixiert, im Schnitt 12 Prozent.
Frischware, Tiefkühlprodukte, Obst & Gemüse, auch Fleisch.
Morrisons
GB
Preissenkungen um durchschnittlich 13 Prozent für 500 Produkte.
Grundnahrungsmittel, auch Fleisch und Eier.
Superdrug
GB
Preise für 100 Basis-Produkte werden bis mindestens Ende April 2023 eingefroren.
Grundlegende Hygiene- und Kosmetik-Produkte.
Keine «normalen» Aktionen. Ausschliesslich Massnahmen, die vom Management mit der Inflation begründet werden.

  • food
  • handel
  • inflation
Artikel teilen

Loading

Comment

Home Delivery
1 x pro Woche. Abonnieren Sie unseren Newsletter.

oder

Auch interessant

image

Die 8 wichtigsten Trends für den Food-Handel in Europa

Gespaltene Kundschaft, mehr Retail Media, Personalmangel und Bots: McKinsey liefert Vorschläge zu prägenden Tendenzen 2024.

image

Temu & Co drücken Schweizer Online-Handel spürbar nach unten

Dies meldet die Swiss Retail Federation. Nun müsse die Politik eingreifen, fordert der Verband.

image

Bioprodukte machen mehr Umsatz

Trotz gedämpfter Konsumstimmung wurden 2023 in der Schweiz vier Milliarden Franken für Bio-Produkte ausgegeben. Bio Suisse sieht den Trend ungebrochen.

image

«The Green Mountain» wird erneut ausgezeichnet

Die Hilcona Taste Factory sammelt Auszeichnung um Auszeichnung. Die neuste: Der «Peta Vegan Food Award 2024»» für das bestes vegane Steak.

image

Fünf Riesen suchen gemeinsam die Retail-Zukunft

Ahold Delhaize, Tesco, Woolworth, Empire und Shoprite gründen einen Fonds zum Aufbau von Startups, die den Detailhandel verändern werden.

image

Barry Callebaut: Mehr Absatz, mehr Umsatz – und doch schlechteres Resultat

Der Zürcher Schokoladekonzern konnte die steigenden Beschaffungspreise im ersten Halbjahr recht effizient weiterreichen.