Migros bekommt einen Dampferkapitän, keine Galionsfigur

Mit Mario Irminger wird ein Halbauswärtiger MGB-Chef, der den Konzern und die Probleme von innen kennt. Und der Migros peu à peu verändern soll wie zuvor Denner.

2.02.2023
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Von Denner zu Migros: Mario Irminger   |   Bild: PD IG Detailhandel, Bearbeitung Konsider.
«Unaufgeregt»: So beschrieb ihn der frühere Chef von Mario Irminger, Dieter Berninghaus, einmal im Magazin «Bilanz». «Vollblutunternehmer» lautete ein zweites Attribut.
Genau diese Kombination dürfte einen Ausschlag gegeben haben für die Wahl von Irminger zum operativen Chef des Migros Genossenschafts Bundes (MGB). Der 57-Jährige hat den Discounter «salonfähig» gemacht, wie er selber im Dezember dem «Blick» sagte – sein Meisterstück.
Das rote Kind des orangen Riesen ist herausgeputzt und liefert – selbst im schwierigen Jahr 2022 – solide Zahlen ab.
Denner konnte den Aufstieg der deutschen Konkurrenten Aldi und Lidl bremsen und ersparte dem Mutterkonzern damit Schlimmeres. Der Erfolg beim Discounter wurde so zum Sprungbrett ins 18. Stockwerk des MGB-Hauptsitzes am Zürcher Limmatplatz.

Arrangement mit Regio-Fürsten

Damit fand die Migros einmal mehr einen Kompromisskandidaten, der die wichtigsten Anforderungen erfüllt: Er kennt den Laden, wenn auch aus der Aussenperspektive – vom Denner-Hauptsitz auf der anderen Stadtseite aus. Er verspricht «Impulse» – was Ursula Nold, die Präsidentin der Migros-Verwaltung, gewünscht hat; was der Konzern dringend benötigt; und was sich offenbar intern nur noch schwer finden lässt. Er ist fordernd, ohne arrogant zu wirken.
Eine weitere Hoffnung: Als halbinterner Quereinsteiger könnte Mario Irminger in einer guten Position sein, um sich mit den Machthaber aus den Regionen zu arrangieren – also mit den Chefs der zehn Migros-Genossenschaften. Denn auf deren Wohlwollen ist er angewiesen, so wie es sein Vorgänger Fabrice Zumbrunnen war, der dabei auflief.
Als ausgewiesener Retail-Fuchs, der im Gegensatz zu den meisten Vorgängern nicht sein ganzes Berufsleben in der Migros verbracht hat, ist es ihm etwa zuzutrauen, das aktuelle Projekt «Supermarkt AG», mit dem die Aktivitäten aller Migros-Supermärkte in einem eigenen Unternehmensgefäss gebündelt werden, zu seinen Gunsten zu beeinflussen.
Und als gelernter Finanzer hat er notabene ein fachliches Spezialwissen, das in den kommenden Zeiten steigender Zinsen und wackligerer Märkte mehr wert sein dürfte als auch schon.

Kein frischer Wind...

Was Irminger nicht bringt: frischen Wind. Eine jüngere Person, eine Frau, ein wirklich verblüffendes Gesicht hätten sich manche gewünscht – insbesondere Beobachter ausserhalb des Unternehmens.
Die Migros-Mitarbeiter – so ist zu vermuten – sind nicht unglücklich darüber. Revolutionen liebt man dort seit dem Tod des Gründers Gottlieb «Dutti» Duttweiler im Jahr 1962 nicht mehr. Der schwer bewegliche Dampfer hat sich noch immer seinen Weg gebahnt, auch durch Stürme und Eisschollen, so der Glauben.
Zugleich braucht die Migros keine Galionsfigur mehr an der Spitze – wie sie zuletzt Herbert Bolliger darstellte. Denn das ist – in der aktuellen Verfassung des Konzerns – nicht die Rolle des neuen Präsident der MGB-Generaldirektion. Dazu hat die «Zentrale» in Zürich zu wenig Macht und Spielraum. Der MGB ist nurmehr eines von vielen Rädern in der komplexen Maschinerie des Migros-Konzerns. Und auch nicht mehr das grösste.

... und das ist gut so

Gesucht und gefunden wurde vielmehr jemand, der die internen Selbsterholungskräfte fördern, das Immunsystem stärken soll. Der Ruhe und Fokus in den Laden bringt.
Die entscheidende Hoffnung ist einfach, dass Irminger den richtigen Riecher für die kommenden Bedürfnisse der Konsumenten hat – so wie er das bei Denner bewiesen hatte. Und dass er diese Begabung bei seinen Untergebenen zum Aufblühen bringt.
Die Revolution des Fabrice Zumbrunnen ist abgesagt. Die Migros wird sich – wie gewohnt – auch in den nächsten Jahren nur Schritt für Schritt bewegen. Es lebe die Evolution (weiter).
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