Preise: Ein Lob der Schrumpflation
Die Kunden akzeptieren eher verkleinerte Verpackungen als erhöhte Preise. Aber die ideale Lösung liegt in der Mitte.
13.09.2022letzte Aktualisierung: 6.06.2024
Wer auf Preiserhöhungen verzichtet, aber diskret die Verpackung verkleinert, der wagt eine Wette: Wenn's klappt, merkt' s keiner. Und die Marge steigt.
Wenn's nicht klappt, steht man irgendwie als unredlicher Geselle am Pranger. Und der Umsatz sinkt.
Fakt ist, dass die «Shrinkflation» momentan wieder eifriger diskutiert wird und dass gewisse Fälle prominent dargestellt wurden (auch von uns). Dabei ist die Schrumpf-Wirtschaft durchaus ein stetiges Phänomen, das immer wieder auftaucht. Es ist nicht unbedingt eine direkte Folge der akuten Inflation.
Schrumpfen nützt Eigenmarken
Doch die Kunden sind heute offenbar sensibler. Wie sensibel, das deutet etwa eine Umfrage an, welche die Beratungsfirma Morning Consult jüngst in den USA veröffentlicht hat.
Eine klare Aussage dort lautet: Wenn die Konsumenten merken, dass sie fürs gleiche Geld plötzlich weniger Margarine oder Frühstücksflocken erhalten, dann reagieren sie auch.
- Jeweils die Hälfte der Befragten gaben an, das Produkt entweder bei einer anderen Marke oder bei einer Händler-Eigenmarke zu suchen.
- Jede dritte Person sagte, sie wende sich grundsätzlich von dieser Marke ab.
- Und wer dennoch treu blieb, suchte oft (zu 33 Prozent) nach grösseren Packungen respektive Sammelpackungen.
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Kein Wunder, dass sich der Chef einer Supermarkt-Kette ganz angetan zeigt von der «Shrinkflation»: «Das Positive ist, dass die Konsumenten zu Eigenmarken wechseln», antwortete er in einer Expertenumfrage der britischen Fachpublikation «Retail Wire»: «Diese behalten meistens ihre Originalvolumen bei.»
Die erwähnte US-Umfrage zeigte obendrein, dass sich die Menschen der Sache sehr bewusst sind: Shrinkflation bleibt selten unter dem Radar.
Es bleibt nicht unbemerkt
Also doch lieber die Preise hochsetzen? Und ja nicht die Packung schrumpfen? Eine praktische Hilfe zum Entscheid bietet eine Arbeit, die Wissenschaftler der Macquarie-Universität in Sydney jüngst veröffentlicht haben.
Konkret machten die Marketing-Experten Jun Yao, Di Wang und Gary Mortimer ein Experiment. In einem Supermarkt in Brisbane schrieben sie diverse Produkte wochenweise immer wieder anders an:
- Sie signalisierten, dass der Preis erhöht wurde.
- Dann signalisierten sie, dass die Packung verkleinert wurde – bei gleichem Preis (klassische Shrinkflation).
- Dann signalisierten sie, dass die Packung vergrössert wurde – aber dass der Preis noch stärker gestiegen sei.
- Dann signalisierten sie, dass der Preis gesenkt wurde – aber dass die Packung noch stärker verkleinert wurde.
Erklärung, wie die Veränderungen im Experiment signalisiert wurden — Screenshot Yao, Wang, Mortimer, «The Conversation»
Die Frage war: Wie wirken sich die verschiedenen Taktiken auf die Verkäufe aus?
Der Test bestätigte klar, dass Preiserhöhungen am schwierigsten sind – hier harzte der Absatz am meisten. Am effizientesten aber waren gemischte Taktiken, bei der mit Preis und Packungsgrösse gleichzeitig gespielt wurde. Und dabei wiederum wirkte jene Variante am positivsten, wo die verkleinerte Packung mit einem sinkenden Preis verbunden wurde (auch wenn dieser Preis weniger stark sank als das Volumen).
Discount-Shrinking
Womit sich wieder einmal zeigt, dass der Mensch den Verlust und den Zuwachs jeweils verschiedenartig beurteilt: Er hasst den Abbau mehr als er den Zuwachs schätzt.
Und klar wird auch, dass der Preis für die Einschätzung und für den Kaufentscheid viel wichtiger ist als das Format beziehungsweise das Gewicht. Es scheint wirklich eine menschliche Zuneigung zur Preissenkung zu geben, die teils auch irrational ist.
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Die raffinierteste Reaktion auf eine Steigerung der Beschaffungskosten läge also darin, die Packung zwar zu schrumpfen – aber die Preise ebenfalls. Und das Ganze dann als Discount-Angebot anzupreisen.
Aber eben: Das wäre bekanntlich auch wieder heikel. Siehe oben, Stichwort Image.
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