Elektronik: Macht und Ohnmacht des Schweizer Handels
NGOs kritisieren die Zustände in Chinas Fabriken und das fehlende Engagement des Schweizer Handels. Zurecht? Eine Einordnung.
13.11.2023Illustration erstellt durch «Inside-IT» mit Midjourney.Tiefe Löhne, schlechter Gesundheitsschutz, exzessive Überstunden, sexuelle Belästigung und die Ausbeutung von Temporärarbeiterinnen und -arbeitern: Das gehöre in den chinesischen Produktionsstätten vieler Hersteller zur Tagesordung. So berichten es die NGOs Solidar Suisse und China Labor Watch in einer kürzlich publizierten Untersuchung über die Zustände in der Computer- und Heimelektronik-Industrie.
Gleichzeitig hat Solidar Suisse geprüft, «wie verantwortungsvoll und transparent die bekanntesten Schweizer Detailhändler sind, wenn es um die Produktionsbedingungen der Tech-Gadgets in ihrem Sortiment geht», heisst es seitens der NGO. Man wollte wissen, welche Vorgaben die Händler an die Elektronikmarken hinsichtlich «Arbeitsbedingungen und Transparenz in der Lieferkette stellen». Darüber hinaus habe interessiert, ob die Händler «deren Einhaltung überprüfen und wie sie darüber berichten».
Lob für Brack
Das Fazit von Solidar Suisse: «Was in anderen Branchen wie bei den Textilien immer mehr Schule macht, steckt bei der Unterhaltungselektronik noch nicht einmal in den Kinderschuhen.» Bei keinem Händler in der Schweiz hätten sich Hinweise dafür gefunden, dass «transparente Lieferketten eine Voraussetzung für die Aufnahme ins Sortiment sind». Ebenso würden nur wenige Händler einen umfassenden Verhaltenskodex veröffentlichen.
Einschätzung der Schweizer Elektronikhändler bei 5 Kriterien. Grafik/Quelle: Solidar Suisse.
Allerdings: Im Bericht der NGO wird Brack ausdrücklich gelobt. Es sei «eines der einzigen Unternehmen, das auf Anhieb auf unsere Umfrage reagierte». Ausserdem arbeite Brack derzeit an verbindlichen Lieferantenrichtlinien, was das Unternehmen gegenüber dem «Tages-Anzeiger» bestätigte.
Einfluss klein
Dass sich Brack kümmert, ist lobenswert. Dennoch dürfte die Einflussnahme von Schweizer Händlern auf die Hersteller und ihre Produktion in chinesischen Fabriken überschaubar bleiben.
Einerseits fehlen dem hiesigen Handel wegen ohnehin schon kleiner Margen bei elektronischen Geräten die Ressourcen, um die dafür nötigen Kontrollen durchzuführen. Darüber hinaus ist der Schweizer Markt sehr klein – die grossen Hersteller würden es kaum spüren, wenn die hierzulande abverkauften Stückzahlen fehlen würden. Denn das wäre letztlich die nötige Konsequenz: Händler müssten die Geräte aus dem Sortiment nehmen, weil sie die Lieferkette nicht bis ins letzte Glied prüfen, geschweige denn beeinflussen können – selbst wenn sie es wollten.
Transparenz: Schön & gut, aber…
Transparenz wäre gut und notwendig, aber sie herzustellen ist im Elektronik-Bereich viel komplizierter als Beispielsweise in der Textilindustrie. «Es sind so viele Einzelteile und Fremdprodukte verbaut, das fördert die Intransparenz», sagte Christian Eckerlein, Kampagnenverantwortlicher Faire Arbeit bei Solidar Suisse zum 'Tagi'.
Eine Konsequenz: Es liegt primär an der Politik, diesbezüglich Verantwortung zu übernehmen und entsprechende Vorgaben zu machen. Die EU macht das mit dem Lieferkettengesetz, welches demnächst verabschiedet werden soll.
- Dieser Beitrag erschien zuerst auf unserer Partner-Plattform «Inside-IT» unter dem Titel «Was können Schweizer Elektronikhändler gegen problematische Lieferketten tun?».
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