Ikea: Heucheln mit Kartoffeln

Das Möbelhaus bietet in gewissen Filialen keine Pommes Frites mehr an – um das Klima zu schützen. Denken wir das doch mal konsequent durch.

23.08.2022
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Klimakiller? Kommt drauf an.  |  Bild von: engin akyurt on Unsplash
Am 14. Oktober 1974 eröffnete Ikea sein erstes Möbelhaus in Deutschland und brachte neben Duftkerzen und Holzregalen auch skandinavische Lässigkeit in die Wohnungen. Die Restaurants, Bistros und Schwedenshops sollen Kunden ins Geschäft locken und länger darin halten. Tatsächlich gehört Ikea mit jährlich etwa 15 Millionen Hauptgerichten und über 220 Millionen Euro Umsatz inzwischen zu den grössten Systemgastronomen in Deutschland.

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Der Autor: Christoph Minhoff ist Hauptgeschäftsführer des Lebensmittelverbands Deutschland sowie des Dachverbands BVE (Bundesvereinigung der deutschen Ernährungsindustrie). Sein Blog: «Filetspitzen».
— Bei den legendären Köttbullar-Hackfleischbällchen mit Rahmsauce und Preiselbeermarmelade hatte man bisher die Wahl zwischen Salzkartoffeln, Kartoffelpüree oder Pommes Frites als Beilage. Doch in den Ikea-Filialen in Würzburg und Bremerhaven wurde entschieden, den Kunden diese Wahl abzunehmen – aus Gründen des Klimaschutzes.
Per Aushang wird erklärt: «Wir verzichten bewusst auf Pommes – Eine Portion Pommes Frites verursacht in der Verarbeitung und Zubereitung über viermal so viel CO2 wie eine Portion Salzkartoffeln. Durch eine bewusste Ernährung kann jeder etwas zur Reduzierung der Treibhausgase beitragen.»
«Spare ich durch den Pommes-Verzicht genug CO2 ein, um mir noch eine Sparpackung Teelichter mit Apfelduft leisten zu können?»
Wie diese Rechnung zustande kommt, wird nicht erklärt. Der als Quelle angeführte Internetverweis führt ins Leere.
Als der erzwungene Pommes-Verzicht öffentlich wurde, beeilte sich Ikea klarzustellen: «Es liegt uns fern, Kundinnen und Kunden zu belehren und uns geht es nicht darum, unser Lebensmittelangebot einzuschränken, sondern es um viele gesündere und umweltbewusstere Optionen zu ergänzen und unseren Kundinnen und Kunden die Wahl zu überlassen.»
Doch genau das hatten Mitarbeiter der beiden Filialen getan – vermutlich in bester Absicht und guten Gewissens. Offenbar ein Anfall von vorauseilendem Klima-Gehorsam.
Unbedeutende Einzelfälle – sicherlich. Aber Ausdruck einer Geisteshaltung, die lieber auf Verzicht und Verbot setzen statt auf Mündigkeit und Marktwirtschaft. Man fragt sich unweigerlich: Stimmt hier noch die Verhältnismässigkeit? Spare ich durch den Pommes-Verzicht genug CO2 ein, um mir noch eine Sparpackung Teelichter mit Apfelduft leisten zu können?

Lob dem örtlichen Schreiner

Leider weist Ikea nicht die Ökobilanzen seiner Möbel und «Wohnaccessoires» aus, die häufig von weither kommen und oft eine begrenzte Haltbarkeit haben.
Wäre es – konsequent zu Ende gedacht – für Umwelt und Klima nicht am besten, wir würden Möbel beim örtlichen Schreiner herstellen lassen und Ikea würde sein gesamtes Geschäftsmodell einstellen? Nur so ein Gedanke…
Übrigens beziehen die Ikea-Restaurants nach meiner Kenntnis einen Gutteil der Fritten gekühlt und nicht gefroren aus Holland. Und um ihnen Klima-Gerechtigkeit widerfahren zu lassen: 60 Prozent der CO2-Bilanz von verarbeiteten Kartoffelprodukten entstehen laut Öko-Institut am Ort der Verwendung, etwa durch Lagerung und Erhitzen. Die CO2-Äquivalente von Pommes Frites und Salzkartoffeln unterscheiden sich demnach – wenn überhaupt – nur marginal.
Ikea könnte dem Klima leichterdings helfen, indem es seine Kartoffelprodukte von regionalen Herstellern bezieht.
  • Mehr: «Schaden Fritten der Umwelt weniger als Gemüse? Britische Forscher untersuchten 57'000 Lebensmittel auf ihre Nachhaltigkeit – von Biscuits bis Zwiebelringen. Mit erstaunlichen Resultaten.»

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