Nachhaltigkeit hat in der Beschaffung nicht erste Priorität

Eine Umfrage unter 90 europäischen Unternehmen zeigt, dass Sicherheit und Kostenkontrolle beim Einkauf höher gewichtet werden als Nachhaltigkeit.

2.01.2023
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Woher kommts und was steckt drin? Bild von: on Unsplash
In vielen Unternehmen haben Beschaffungssicherheit und steigende Einkaufspreise im Jahr 2022 eine höhere Priorität beim Einkauf als die Nachhaltigkeit. Das zeigt eine Umfrage unter 90 Unternehmen in Europa.
Durchgeführt hat sie das Beratungsunternehmen Inverto, das zur Boston Consulting Group gehört.
Von den befragten Unternehmen stammt rund ein Viertel aus den Branchen Handel und Konsumgüter. 6 Prozent der befragten Gesellschaften haben ihren Sitz in der Schweiz.
Die Studie wurde im Frühling 2022 durchgeführt. Schon damals bedrohten unterbrochene Lieferketten die Versorgungssicherheit, und die steigenden Beschaffungspreise gefährdeten eine effektive Kontrolle der Kosten.

Motiviert durch Gesetze

Das Thema Nachhaltigkeit geriet dabei ins Hintertreffen. Und wurde zu einem Must.
«Die Hauptmotivation, um Nachhaltigkeitsfortschritte voranzutreiben, scheint in regulatorischen/legislativen Aspekten zu liegen», hält der Bericht von Inverto fest. Konkret: Zwei von drei befragten Unternehmen nennen Vorgaben von aussen als wichtigsten Antrieb für Efforts zugunsten der Nachhaltigkeit.
Image sei selbst für Handel und Konsumgüterproduzenten nicht die primäre Motivation, um Nachhaltigkeit voranzutreiben – obwohl Konsumenten «zunehmend verantwortungsbewusste Marken und Industrien» bevorzugen würden. Konkret: 6 von 10 Unternehmen sehen eine Verbesserung des Images nicht als Hauptmotiv für ihr nachhaltiges Handeln.

Keine KPIs für den Einkauf

60 Prozent der befragten Firmen haben gemäss der Umfrage zwar Nachhaltigkeitsstrategien auf Unternehmensebene definiert und unternehmensweite Ziele festgelegt – 30 weitere geben an, solche zu planen.
Doch: «Defizite bestehen bei dem Herunterbrechen auf Geschäftsbereiche wie den Einkauf und der Definition klarer, beschaffungsspezifischer Nachhaltigkeits-KPIs.»
Dort, wo Strategien implementiert, umgesetzt und kontrolliert werden müssten, fehlt es am Willen, an Wissen und an Personal.

Mangelnde Verankerung im Operativen

Nur die Hälfte der Unternehmen sind der Ansicht, dass Strategie und Ziele des Einkaufs ihres Unternehmens auf die Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens abgestimmt sind. Die Studie schliesst daraus diplomatisch: «Die Verankerung von Nachhaltigkeit im Operating Model des Einkaufs bedarf demzufolge einer Optimierung.»
Lediglich knapp die Hälfte der befragten Firmen ist bisher den ersten Schritt gegangen und hat Ziele zur Dekarbonisierung ihrer Lieferketten festgelegt. Net Zero gibt sich lediglich jede fünfte vor.
Genau so vielen reicht auch eine Verminderung des CO2-Fussabdrucks von 20 Prozent in den Supply Chains. —
Der Teufel steckt bekanntlich im Detail, soll heissen: auf operativer Ebene. Hier werden die Bekenntnisse zur Nachhaltigkeit im Einkauf noch zu wenig implementiert.
Rund die Hälfte der Firmen gibt zu, dass die Verankerung der Nachhaltigkeitsziele verbesserungswürdig oder inexistent ist. —
Die Studienmacher fragten auch nach den Gründen für die mangelnde Verankerung im Operativen in den Beschaffungsabteilungen der Unternehmen. Mit Abstand am meisten werden ein Mangel an finanziellen und personellen Resourcen angeführt – gefolgt von fehlender Transparenz bei den Lieferprozessen. —
Ausgehend von den Ergebnissen der Umfrage schlägt Inverto fünf Handlungsempfehlungen vor.
  1. Definition einer von allen Stakeholdern unterstützten Nachhaltigkeitsstrategie: «Setzen Sie ehrgeizige Ziele und klare KPIs.»
  2. Vorrang der Einkäufer gegenüber anderen Geschäftsbereichen und Lieferanten. Diese sollen als «Geschäftspartner» auftreten, um Fortschritte im Bereich Nachhaltigkeit ermöglichen und vorantreiben: «Gehen Sie in den Dialog mit Lieferanten und stellen Sie Ihre Anforderungen klar heraus.»
  3. Vollständige Transparenz in der Lieferkette: «Statten Sie Ihr Unternehmen mit den passenden digitalen Tools aus, um Nachhaltigkeitsdaten erfassen, verfolgen, überwachen und verstehen zu können.»
  4. Zusammenarbeit mit Lieferanten und NGOs: Zulieferer sollen geschult werden. Prüforganisationen ermitteln Benchmarks.
  5. Onboarding und Training der Mitarbeiter: «Bauen Sie Nachhaltigkeitswissen im Unternehmen und im Einkaufsteam auf, um Ihre Wettbewerbsfähigkeit und Wertsteigerung zu stärken.» Dazu gehören auch Anreizmechanismen für die Mitarbeiter.
Quelle: Inverto: «Nachhaltigkeit im Einkauf Studie 2022». Die ganze Studie ist dort nach einer Registrierung einsehbar.
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