Was ist Ochama? Wie sich Chinas Handelriese JD.com diskret in Europa ausbreitet

Roboterlogistik und Abholstationen für Lebensmittel: Das Konzept des chinesischen Onlinehändlers JD.com ist in neun EU-Ländern präsent. Doch bereits zeigen sich Probleme.

5.01.2023
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Ochama-Roboter-Supermarkt in Utrecht   |   Bild: JD.com Corporate Blog.
JD.com ist Chinas Amazon, weist eine halbe Milliarde Kunden aus und hat 2021 Waren im Wert von 140 Milliarden Franken umgesetzt. Seit einem Jahr ist der B2C-Händler auch mit der Marke Ochama in Europa präsent.
Nach den Niederlanden, Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, Tschechien, Ungarn und Italien folgt dieser Tage mit Spanien der neunte Markt in der EU, den Ochama erobern will.
Das chinesische Unternehmen streicht insbesondere zwei Vorteile seines Konzepts heraus: Lebensmittel werden an Abholstationen geliefert, wo sie die Kundschaft zu (fast) jeder Zeit abholen könne.
Und die Logistikzentren sind auf dem neuesten technischen Stand – betrieben werden sie fast ohne Personal. Dafür arbeiten Robotersysteme, deren Software künstliche Intelligenz nutzt.

«Amazing Omnichannel»

Die Namensgebung für Ochama soll auf einer Kombination aus «Omnichannel» and «Amazing» fussen. Omnichannel bedeutet hier konkret:
  • Bestellt werden kann von der App oder der Webseite des Händlers.
  • In Roboter-Pick-up-Shops wie in Rotterdam, Leiden, Utrecht und Diemen bei Amsterdam können bestellte Artikel abgeholt werden.
  • Geliefert wird an bisher 120 Abholstellen, die teilweise an Filialen anderer Handelsunternehmen angeschlossen sind; in Holland beispielsweise beim Non-Food-Anbieter Blokker. Geliefert wird am selben Tag, sofern vor 11 Uhr bestellt wurde.
  • Partnershops sollen durch die Ausführung von Abholaufträgen Provisionseinnahmen erzielen und zusätzlichen Traffic über den Ochama-Webshop und die App erhalten können.
  • Eine Homedelivery-Option ist offenbar geplant.
Das Kernstück der Logistik sind mit Robotern ausgestattete Lieferzentren. Eines davon steht in den Niederlanden, von wo aus auch die umliegenden Länder angefahren werden.
Erklärvideo von Ochama in den Niederlanden | Quelle: Youtube / Ochama

Roboter-Abholstellen schliessen

Soweit die bisherige Entwicklung. Doch bereits zeigen sich Probleme: Drei der vier automatisierten Abholstationen wurden kürzlich geschlossen – nur diejenige in Utrecht bleibt (noch) offen, wie holländische Medien berichten.
Statt eigene Stationen zu betreiben, habe Ochama das Modell nun «optimiert», indem es sein eigenes Lager mit den Abholstellen Dritter und der Lieferung nach Hause kombiniert, so ein Sprecher von JD.com gegenüber «Retailtrends.nl». Das neue Modell soll die Effizienz der Logistikkette weiter verbessern und zu günstigeren Preisen für die Kunden führen.
Auch mit der Leitung der Aktivitäten in der EU hat sich JD offenbar verrechnet. Zwei Topleute in den Niederlanden verabschiedeten sich nach wenigen Monaten Anfang 2022. Heute wird Ochama in den Niederlanden direkt von der Zentrale in China aus gleitet.

Kein USP gegenüber Konkurrenz

Zunächst richtete sich das Angebot von Ochama insbesondere an emigrierte Chinesen in Europa. Ziel des Konzerns JD.com ist es jedoch, eine einheimische Kundschaft zu erreichen.
Das fällt Ochama laut Kritikern bisher allerdings aus mehreren Gründen schwer:
  • Das Schwergewicht des Angebots liegt in den Segmenten Tiefkühl- und Fertigprodukte.
  • Regionale Lebensmittel sind nicht erhältlich.
  • Die Auslieferung geschieht über wenige Logistikzentren. Die Anfahrtswege sind deshalb sehr lang – was gerade bei gekühlten Waren Probleme ergibt und unökologisch ist.
  • Die Sortimentsgestaltung in den Onlineläden ist unübersichtlich.
  • Ochama hat keinen wirklichen USP gegenüber Konkurrenten – auch das Abholen an Sammelstellen wird bereits von heimischen Supermärkten angeboten, etwa von Spar in Österreich oder Louis Delhaize in Belgien.
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Frontseite von Ochama.com, Englische Version.
Ob JD.com mit seinem Unternehmen Ochama in Europa erfolgreich sein wird, ist unsicher. Noch immer schreibt wohl kein einziger Händler in Europa Gewinne mit dem Vertrieb von Lebensmitteln über Lieferdienste.
Zudem tummeln sich viele Platzhirsche im europäischen Lebensmittel-Detailhandel. Konsumenten sind Gewohnheitstiere und schwenken nur widerwillig auf neue Anbieter um. Auch reine Lieferdienste sind bisher kaum je auf einen grünen Zweig gekommen.

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