Fünf Erkenntnisse zur Zalando-Bilanz 2022

Der deutsche Onlinehändler schwächelt. Statt Expansion steht Konzentration auf dem Programm.

8.03.2023
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Bild: PD Zalando
Stagnierende Umsätze und deutlich weniger Gewinn bei sechs Prozent mehr Kunden: Für Zalando verlief 2022 harzig. Der deutsche Onlinehändler, der mit Mode begann, setzt neu auf Logistikdienstleistungen und den Ausbau eines «Warenhaus»-Sortiments, um profitabler zu werden. Expansion soll in die Tiefe statt in die Breite erfolgen.
Hier fünf Erkenntnisse zu den Bilanzzahlen 2022 von Zalando.

1. Zalando ist auch ein Logistiker

Zalando Fulfillment Solutions (ZFS) heisst einer der wichtigsten Hoffnungsträger des Unternehmens. ZFS heisst: Jeder Onlinehändler in Europa kann über das Logistiksystem von Zalando Waren verschieben. Dazu steht ein System an Lagerzentren und Lieferwegen bereit, das laut Zalando bereits 900 Kunden hat, zum Beispiel Marken ohne eigene Logistikabwicklung.
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Zalando Logistikcenter | Bild: PD Zalando
Dabei spielt es keine Rolle mehr, ob diese auf Zalandos Verkaufsplattform präsent sind – im Gegenteil: Jeder Neukunde ist willkommen.
Denn: In Deutschland, dem Hauptverschiebebahnhof von Zalando, bestehen heute schon Überkapazitäten, wie kürzlich «Die Welt» berichtet hat. Der Konzern betreibt heute 12 Logistikzentren in Europa, drei weitere sind im Bau. Logistik-Konkurrentin Amazon hat in Deutschland 13 teils leere Logistikzentren und schliesst laut einer aktuellen Meldung demnächst eines davon.
Wie Amazon muss auch Zalando versuchen, seine Logistikkapazitäten besser auszulasten, in der Hoffnung, damit Geld zu verdienen – beziehungsweise die anfallenden Kosten zu verteilen. Das Unternehmen muss in diesem B2B-Geschäft also weiter in die Customer Experience investieren, wenn es mithalten will.

2. Zalando ist auch ein Warenhaus

Mode macht zwar noch immer 90 Prozent des Verkaufsvolumens aus. Doch wachsen kann das Unternehmen vor allem bei anderen Sortimenten: Zalando soll «zum Anlaufpunkt für alle Lifestyle-Produkte werden», heisst es dazu. Neben der Mode sind das heute bereits Beauty-Artikel, Spielzeuge, Babyartikel oder Accessoires.
Mit der Zunahme an Brand-Partnern und der Erweiterung des Online-Marktplatzes für auswärtige Marken (beide waren 2022 Wachstumssegmente) wird die Modemarke Zalando unwichtiger. Dafür sollen vermehrt wichtige Marken wie Nike angebunden werden. Zalando wird zum Allesanbieter, letztlich zum Warenhaus.
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3. Zalando wächst in die Tiefe

Eine Ausweitung des Kundenstamms ist nicht mehr prioritär. Wichtiger ist es für Zalando, die bestehenden Käufer zu binden und sie zu «Zalando Plus»-Mitglieder zu konvertieren. Denn die kaufen wesentlich grosszügiger ein als Kunde Normalo. «Deep customer relationsship at scale», nannte Co-CEO David Schneider die Strategie.
So muss auch weniger Geld ins Marketing fliessen; dafür erhält die Kundenbindung grössere Bedeutung. Dazu gehören: mehr Storytelling (etwa im Onlineformat «Highsnobiety», das Zalando letztes Jahr übernommen hat), Curated Content (auch für Fremdmarken) oder auch Fashion Drops (kurzfristig lancierte «Muss-haben»-Kollektionen für die besten Kunden).
Denn diese erreichen Millionen Interessierte und generieren höhere Klickraten.
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Storytelling auf Bildern: Highsnobiety | Bild: PD Zalando

 

4. Zalando entdeckt im Kreislauf einen Vorteil

Obwohl kostspielig in der Umsetzung, setzt Zalando weiter auf die Entwicklung einer Kreislaufwirtschaft für den Modesektor in Europa: Circular design für die eigenen, aber auch auswärtige Marken.
Und so lange es noch nicht möglich ist, Textilien (insbesondere Mischgewebe, die heute weitläufig sind) wieder zu neuen Rohstoffen für Mode umzuwandeln, setzt man auf Recycling. An der Medienkonferenz zur Bilanz 2022 erwähnten die CEOs insbesondere die Investition in das amerikanische Startup Circ, das Textilrecycling auf eine neue Ebene heben soll.
Zalando verfolgt – wie die Konkurrenz – die textile Kreislaufwirtschaft in Europa nicht in erster Linie aus Eigennutz. Vielmehr macht die EU Druck. Sie hat sich dem Ziel verschrieben, die europäische Textilindustrie bis 2030 auf nachhaltig und damit «zirkulär» zu trimmen. Das könnte – so die Hoffnung bei Zalando – auch ein Wettbewerbsvorteil werden: Wer hier zuerst Erfolge vorweisen kann, darf sich als Schrittmacher brüsten.

5. Zalando spricht nicht von Metaverse und Co.

Technologische Fragen werden in den Aussagen zur Bilanz 2022 nicht thematisiert: Weder das viel besungene Metaverse noch die Anprobe-Avatare der eigenen Techbude in Zürich wurden mit einem Wort erwähnt. Customer Experience scheint man bei Zalando nicht mehr unbedingt mit technischen Gadgets zu verbinden. Customer Excitement soll vielmehr durch Geschichten und spezielle Angebote bewirkt werden.
Vor zwei Wochen liess Zalando zum geplanten Stellenabbau im Overhead als Ziel verlauten: «Eine unternehmerische Gesellschaft, die sich Einfachheit, Pragmatismus und Sparsamkeit auf die Fahnen geschrieben hat.» Diese Grundsätze würden «die Innovation vorantreiben und uns in die Lage versetzen, in unsere strategischen Prioritäten zu investieren und die Zukunft des europäischen elektronischen Handels zu gestalten».
Die Fokussierung auf Rentabilität und Pragmatismus könnte den Zweck gewisser technischer Spielereien, die vor allem kosten und (bisher) nichts zu den Verkäufen beitragen, in Frage stellen.

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