Phänomen Pepco: Ein Gruss aus der Vergangenheit des Detailhandels

Eine polnische Handelskette will alleine in Deutschland 2000 Filialen eröffnen. Ihr Zielpublikum: «Mum on a budget».

20.01.2023
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«One-stop shopping» für die junge Familie: Aussenansicht einer Pepco-Filiale | Bild: PD
In Österreich lief es so: Im September 2021 (also inmitten der Corona-Krise) öffneten die ersten beiden Filialen der Marke Pepco ihre Türen. Ein Laden kam nach Wien, der andere nach Wiener Neustadt. Damals hiess es, Pepco plane zwanzig Standorte in Österreich.
Heute, im Januar 2022, gibt es bereits 59 Pepco-Filialen im Nachbarland.
In Deutschland es ähnlich – einfach in viel grösserem Stil. In Berlin eröffnete der Nonfood-Discounter kurz vor Weihnachten den vierten Laden (und den ersten, den er nach drei vorsichtigen Versuchen recht laut lancierte). Dabei gab er bekannt, dass er ganz gross denkt: Langfristig will Pepco in Deutschland 2'000 Läden eröffnen, sagte Retail-Chef Aleksandr Cikaidze bei der Einweihung beim Potsdamer Platz.
2000 Standorte?
Zum Vergleich: Tchibo unterhält etwa 550 Filialen in Deutschland. Und Aldi Süd, gegründet 1913, verkündete vor wenigen Tagen stolz, dass es seine 2000ste Filiale eröffnet hat.

Tempo Teufel

Pepco, ein ursprünglich polnisches Unternehmen, will also Europas grössten Markt aufrollen – so wie es sich zuvor schon im Turbo-Tempo in 17 europäischen Staaten ausbreitete.
1999 in Warschau gegründet, begann die Entwicklung eines internationalen Netzwerks 2013. Bis 2016 verdoppelte sich die Zahl der Läden auf 1'000, und in den Jahren danach installierten sich die Discounter aus Warschau jedes Jahr in einem bis drei Staaten – zuletzt in Serbien und Italien (2020), Spanien und Österreich (2021), Deutschland und Griechenland (2022).
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Viele Kleider: Innenansicht einer Pepco-Filiale in Polen  |  PD
Hinter dem Phänomen steht erstens der südafrikanische Möbelkonzern Steinhoff International (zu dem bis 2019 Conforama gehörte): Er besitzt Pepco zu knapp 80 Prozent, der Rest ist börsenkotiert.
Dahinter steht zweitens ein recht eigenwilliges Konzept: Pepco verkauft einerseits günstige Kleider – und dabei schwergewichtig Kinder- und Damenbekleidung. Ergänzt wird das Angebot durch Wohnaccessoires, Haushaltswaren und Spielwaren aller Art. Die Läden sind mittelgross, ihre Fläche ist meistens im Bereich von rund 500 Quadratmetern.
  • Shein ist jetzt auch ein Warenhaus. Der Online-Moderiese hat sein Sortiment diskret auf Dekoartikel, Heimwerker-, Haustier- und Bürobedarf ausgeweitet.
Laut Inseraten für Standorte in Deutschland sucht die Firma derzeit nach Mietobjekten «in gut frequentierten Shopping-Centern, Fachmarkt- und Nahversorgungszentren sowie in gut frequentierten Fussgängerzonen und Einkaufsstrassen»; dies mit einer Gesamtfläche von 450 bis 900 Quadratmetern; sowie in Städten ab rund 15'000 Einwohnern.
Interessant dabei auch: Mit Omni- oder Onlinechannel hat es Pepco nicht so (die NZZ sprach denn auch einmal von einem «etwas archaisch anmutenden Geschäftsmodell»): «Kein Online-Kanal, dafür ganz viele Läden», so der Titel des Beitrags.
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Viele Wohnaccessoires: Innenansicht einer Pepco-Filiale in Deutschland  |  PD
Ein Grund dafür: Die angebotenen Artikel – ob Tassen und Pfannen, Baby-Bodies, T-Shirts oder Schnuller – sind konsequent günstig. Im Schnitt kaufen die Kunden für weniger als 10 Euro ein, so dass eine Online-Lieferung ein schlechtes Geschäft wäre.
Die Lücke, die das Unternehmen sucht und bislang in Ost- und Südeuropa gefunden hat, bilden die Bedürfnisse, die sich im Alltagsleben junger Familien ergeben.
Ihnen wird «One-stop shopping» geboten: Das T-Shirt für die Mutter, die Rassel für das Kind, die Saftpresse für die Küche, die Boxershorts für den Vater. Damit stellt sich die Nonfood-Discount-Kette in Konkurrenz zu Firmen wie Kik in Deutschland, Tchibo, Primark, Takko.

«Buy for less, sell for less»

«Unser Ziel ist es, die grösste, beste, günstigste und berühmteste (sic!) Marke von Heim- und Familienprodukten in Europa zu werden», lautet die Unternehmens-Vision. Wobei Grösse (sprich: Skalen- und Preis-Effekte) laut allen Statements im Zentrum der strategischen Logik steht. «Buy for less, operate for less, sell for less», so ein weiteres Prinzip, das die Firma hochhält.
Wobei Pepco den Kern seines Zielpublikums pfiffig präzise beschreibt: «Mum on a budget». Eine Mutter, die aufs Geld schauen muss.
Bislang konnte das Wachstumstempo gehalten werden. Trotz finanzieller Engpässe beim Mutterkonzern Steinhoff eröffnete Pepco im letzten Quartal 100 neue Läden in Europa (mehr); die Umsätze erreichten im letzten Geschäftsjahr (per Ende September 2022) gut 4,8 Milliarden Euro – nach einem Zuwachs von 17 Prozent.
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Inklusive Self-Checkout: Kassenzone einer Pepco-Filiale in Deutschland  |  Bild: PD
Ob und wann ein Start in der Schweiz geplant ist, war bislang nicht zu erfahren. Einen Markeneintrag hat die Firma hierzulande genauso wenig vorgenommen wie einen Handelsregister-Eintrag.
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