Warenhäuser: Es genügt nicht, vieles richtig zu machen

Hinter dem Schicksal von Jelmoli stehen auch strukturelle und politische Probleme.

8.02.2023
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Erlebnisse kosten: Kinderwelt und Sneaker-Abteilung «Spotlite» im Jelmoli Zürich  |  Bilder: PD Jelmoli.
Jelmoli hat in den letzten Jahren vieles richtig gemacht – vielleicht hat man dem Team auch zu wenig Zeit gelassen, Fehler der Vergangenheit zu bereinigen. Man müsste eher über strukturelle Probleme reden, die teilweise auch (politisch) hausgemacht sind:
  • Einkaufstourismus – oder «Der Schweizer denkt mit dem Portemonnaie»: Die Schweizer Detailhändler haben gemäss einer Studie von BakBasel 2017 um 50 Prozent höhere Kosten als die Anrainerstaaten (heute ist der Wert wohl tiefer). Man fragt sich in diesem Zusammenhang schon, wieso die Kundschaft die Verödung der Innenstädte beklagt, aber gerne im Ausland einkauft. Und wie kommt es, dass ein Preisüberwacher im Staatsdienst oder der vom Bund teilweise alimentierte Konsumentenschutz die Menschen mehr oder weniger direkt zum Einkauf im Ausland anfeuern? Will man damit die Lohnspirale nach unten auslösen?
  • Fehlende Skaleneffekte: Für einzelne Warenhäuser sind die Skaleneffekte im Einkauf gering.
Die Autorin: Dagmar T. Jenni ist Direktorin der Swiss Retail Federation, welche gut 1'600 Unternehmen des Detailhandels repräsentiert. Jenni trat ihr Amt 2015 an. Davor war sie unter anderem General Counsel und Head Strategy Development der grössten Division von Forbo.
  • Ortsgebundenheit: Warenhäuser sind ortgebunden und können nicht kurzfristig bei Verschiebungen von Frequenzen den Standort wechseln.
  • Die Rahmenbedingungen im stationären Handel sind starr. Es ist beispielsweise schwierig, Touristen in der Stadt Zürich dann bedienen, wenn sie einkaufsfreudig unterwegs wären. Der Online-Handel ist hingegen an 24 Stunden und an 7 Tagen möglich.
  • Die lange Historie einzelner Detailhändler hilft bei der Digitalisierung nicht wirklich: Im Online- oder Omnichannel-Handel fit unterwegs zu sein – dies ist für «jüngere» Anbieter einfacher als für «ältere» Unternehmen, die teilweise auf veraltete Strukturen oder Prozesse aufbauen müssen.
  • Warenhäuser verlangen laufend hohe Investitionen: Die Kunden von heute wollen immer wieder neu «überrascht» werden und in eine neue Atmosphäre eintauchen – Stichwort Entertainment oder Erlebnis-Kultur. Das kostet.
  • Die extrem grossen Ladenflächen mit viel Personal bedingen eine kritische Grösse an Umsatz und Frequenzen. Umsatzeinbussen um wenige Prozentpunkte – im tiefen einstelligen Bereich – schlagen voll durch und machen das Geschäft nicht profitabel.
Sicher, der Detailhandel muss auch selber alte Zöpfe abschneiden: Flächen reduzieren; stark auf Kuratierung setzen; engeres Sortiment mit toller Beratung; mehr digitale Tools mit Kundennutzen; Daten nicht nur sammeln, sondern auch klug auswerten (und das entsprechende Knowhow erarbeiten); ebenfalls Plattformen testen und sich klar positionieren – beziehungsweise sich abgrenzen zu den (sortimentstechnisch unschlagbaren) Online-Warenhäusern. Patentrezepte gibt es nicht. Leider.

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