Wer auf Fabrice Zumbrunnen folgt: 5 Chef-Kandidaten für die Migros

Wer kommt als Präsident der MGB-Generaldirektion in Frage? Denkbar sind sowohl behutsame Eigengewächse als auch undiplomatische Macher.

26.10.2022
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Blick aus der Höhe der Direktionsetage des MGB am Limmatplatz in Zürich | Bild: PD Migros
In den Medien herrscht bereits buntes Kandidatenraten: Die «NZZ» bemüht die «Tradition» und schreibt, auch der Neue werde wohl «aus den eigenen Reihen» kommen.
Die Kanäle der AZ Medien setzen ebenfalls darauf und nennen Jörg Blunschi als Kronfavoriten, also den Chef der starken Migros Zürich.
Doch mit 61 Jahren ist er recht nah am Pensionierungsalter (was angesichts der Jugendlichkeit des Abgängers aus Neuenburg wiederum als Vorteil taxiert werden könnte).
«Le Temps» erinnert daran, dass die Migros noch nie von einer Frau geleitet wurde. Was als Vorteil für weibliche Kandidaturen gewertet werden kann – aber auch als eher nachrangiger Aspekt (weil: «Tradition»).
Einig ist man sich, dass die Migros eine tatkräftige Spitzenfigur benötigt, um aus dem Schlamassel herauszukommen, den die zwei letzten Abgänge in der Generaldirektion offengelegt haben (von GD-Mitglied Sarah Kreienbühl und nun ihrne Chef).
Allgemeine These: Die von Fabrice Zumbrunnen wenig angetastete Organisation muss den heutigen Zeiten angepasst werden, die Migros-Industrie benötigt Investitionen, die Preise in den Supermärkten müssen sinken – und das bei steigenden Beschaffungspreisen. Und alles hängt bei der Migros irgendwie zusammen.

Ein Welscher oder eine Frau?

Generell gilt wohl: Die Westschweizer Regionalfürsten haben eher schlechtere Karten. Sie gehören zu jenen Stimmen in der Migros, die gerne die Souveränität der einzelnen Genossenschaften betonen und wenig zu Innovationen im Konzern beigetragen haben. Zudem ist gerade einer der ihren, Fabrice Zumbrunnen, zurückgetreten.
Frauen hätten ohne Zweifel gute Chancen – wenn es im Migros-Biotop mehr von ihnen gäbe. Die vor einem Jahr als Kassenwartin in die GD gewählte Isabelle Zimmermann (48), die von der branchenfremden Hilti-Gruppe gekommen war, hat noch kaum den nötigen Stallgeruch angenommen und wenig von sich reden gemacht.
Ein Jungtalent ist die Geschäftsleiterin der Migros Basel, Anita Weckherlin (41), die sich aber zuerst in der kleinen Genossenschaft am Dreiländereck für einen späteren Aufstieg im Zürcher «Turm» bewähren muss.
Wer also bleibt? Hier unsere Top-Five-Liste der Kandidaten.

1. Matthias Wunderlin (48), GD-Mitglied, Marketingchef

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Matthias Wunderlin | Bild: PD Migros
Der Triathlet und ehemalige McKinsey-Berater ist nicht unbedingt beliebt, will aber auch nicht «Everybody's darling» sein. Der Marketingchef des MGB wäre der Mann, der auf den Tisch haut, wenn sich die diversen Stakeholder im Konzern komplett uneinig sind – was in den letzten Jahren häufig der Fall war.
Innerhalb seiner Direktion ist er umstritten, gilt als ungeduldig. Doch auf dem Chefposten des MGB könnte Ungeduld und ein Fokus auf wenige, aber dringend nötige Massnahmen – etwa eine Zusammenlegung von Regionalgenossenschaften und deren schrittweise Entmachtung – die richtigen Charakterzüge sein.
Wunderlin, der Loosli der Migros – der die orangen Knoten zerhackt? Einzig seine aufbrausende Art könnte angesichts der Migros-eigenen Harmoniekultur zum Stolperstein werden.

2. Peter Diethelm (57), Geschäftsleiter Migros Ostschweiz

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Peter Diethelm | Bild: PD Migros
Der ausgebildete Milchwirtschaftsingenieur und Absolvent der St.Galler Business School mit einem MBA in Integrated Management spricht gerne Klartext, gerade wenn die Geschäfte schlecht laufen.
Er scheute nicht davor zurück, im Krisenjahr 2019 die Fitnesszentren der Migros Ostschweiz an die Zürcher Kollegen sowie die Chickeria-Restaurantkette gänzlich zu veräussern, um Synergien zu schaffen und Geld zu sparen. Und bereits im März 2022 sah er steigende Preise aufgrund teurerer Rohwaren voraus.
Seine Genossenschaft gilt als innovativ, gut geführt und skandalfrei. Das ist auch Diethelms Verdienst. Er könnte die richtige Mischung aus Beständigkeit und Veränderungswillen in die Chefetage am Zürcher Limmatplatz einbringen.

3. Mario Irminger (57), CEO Denner

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Mario Irmiger | Bild: PD Denner
Er hat einen Erfolgsausweis vorzuweisen wie kaum ein anderer im Migros-Universum. Seit der diplomierte Wirtschaftsprüfer vor elf Jahren das Ruder bei der Discount-Tochter der Migros übernommen hat, gehört Denner zu den Vorzeigeunternehmen im Schweizer Detailhandel.
Nicht nur äusserlich kommt der rote Spar-Detaillist seither aufgeräumt und aufgefrischt daher. Irminger konnte den Umsatz kontinuierlich steigern und sich im wachsenden Discount-Segment im Kampf gegen Aldi und Lidl behaupten.
Gestärkt ging Irminger aus der Abstimmung der Migros zum Alkoholverkaufsverbot hervor. Zwar gilt er innerhalb der Migros bei vielen eher als Konkurrent denn als Mitstreiter. Doch genau das könnte im Moment ein Vorteil für den auswärtigen Entstauber und Unternehmertyp sein.

4. Guido Rast (52), Geschäftsleiter Migros Zentralschweiz

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Guido Rast | Bild: PD Migros
Der Bauernsohn aus dem Luzerner Seetal hat sich innerhalb der Migros von unten nach (fast ganz) oben hochgearbeitet. Als er 21 Jahre alt war, unterstanden ihm als «Fachleiter Molkerei» einst acht Migros-Mitarbeiter, seit zwei Jahren führt er als Chef der Genossenschaft Zentralschweiz 6'000 von ihnen. Er wird als eher bodenständig und nahbar beschrieben, als zupackend und loyal.
Als er vor zwei Jahren seinen GL-Job in Luzern antratt, musste er beim Plastik-Recycling-Projekt der Genossenschaft einen Rückzieher hinnehmen. Inzwischen aber funktioniert das neue System, und Rast kann sich als Pionier betrachten.
Der jugendlich wirkende, «gmögige» Luzerner wäre an der Spitze der Migros eine Mischung zwischen seinen beiden Vorgängern: Ruhig und eher diplomatisch wie Zumbrunnen, volksnah und direkt wie Herbert Bolliger. Denkbar, dass die Migros in dieser Zeit auf eine Integrationsfigur wie Rast setzt.

5. Jörg Blunschi (61), Geschäftsleiter Migros Zürich

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Jörg Bluschi | Bild: PD Migros
Er wirkt ein wenig wie der «ewige Kandidat», obwohl er sich erst einmal um den Posten als GD-Präsident beworben hat . «Ein M umtriebiger» nannte ihn einst die «Bilanz», und diesen Ruf verdankt er einer guten Nase: Er pushte das Thema Bio, expandierte mit Tegut erfolgreich in Deutschland oder führte neue Shoppingformaten wie die «Bridge» an der Zürcher Europaallee ein.
Nach der verpassten Krönung zum CEO des MGB vor fünf Jahren und dem frühzeitigen Rückzug von Fabrice Zumbrunnen wird sich mancher im Migros-Turm am Limmatplatz heute wünschen, dass Blunschli ihr oberster Boss geworden wäre. Als Ex-«Regiofürst» hätte er seinen Mitregenten in den Genossenschaften einen schneller getakteten Marsch blasen können als das MGB-Gewächs Zumbrunnen.
Seine Chancen 2023? Mit seinen 61 Jahren wäre Blunschi lediglich eine Übergangslösung. Aber vielleicht auch der Richtige, um das nötige Porzellan zu zerschlagen. Denn viel diplomatische Rücksichten müsste er nicht mehr nehmen.
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