Migros und Coop in der Greenwashing-Falle

Greenpeace wirft den Detailhandels-Genossenschaften Schönfärberei vor. Das ist nur logisch.

17.04.2023
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Still aus einem Spot von Migros im Rahmen der neuen Kampagne «Meh für d'Schwiiz».
Es war ja fast absehbar: Nachdem die Migros letzte Woche ihren neuen Markenauftritt lanciert hatte («meh für d'Schwiiz»), setzte es jetzt Kritik. Greenpeace nahm via «Sonntagszeitung» den Ball auf und monierte, dass die Migros – wie auch Coop – «Greenwashing» betreibe.
Das heisst: Die Schweizer Detailriesen stellen sich grüner dar, als sie beweisen können.
Intransparente grüne Werbeversprechen gebe es zwar bei vielen Unternehmen, sagte Barbara Wegmann von Greenpeace in der SoZ. Doch Coop und Migros seien speziell in der Verantwortung – immerhin geben die beiden Genossenschaften hierzulande meisten Geld für Werbung aus.

In den Raum gestellt

«Greenwashing ist auch bei der Werbung von Migros und Coop ein Problem.» Begriffe wie nachhaltig, natürlich oder klimaneutral würden einfach so in den Raum gestellt, so Wegmann.
Dabei kritisieren Greenpeace – und andere –, dass sich die Unternehmen ohne Referenzwerte als ökologische Verbesserer darstellen; ihre Fortschritte könnten genauso gut nur behauptet statt belegt sein, und vieles sei unbewiesen.
Im Hintergrund steht auch, dass Coop wegen des 30-jährigen Geburtstags von Naturaplan seine ökologische Vorreiter-Rolle jüngst ebenfalls stark betont hat.
Die Anklage wurde in anderen Medien am Sonntag fleissig weiterzitiert. Und so zeigt der Fall vor allem eines – nämlich dass die modische Betonung der eigenen ESG-Vorbildlichkeit mittlerweile an harte Grenzen stösst.
Erstens tun es sowieso alle. Kein Tag, an dem nicht ein FMCG- oder Detailhandels-Konzern eine neue ESG-Leistung anpreist. Herausragen lässt sich damit kaum noch.
Zweitens trauen die Kundinnen und Kunden der Sache kaum. Eine Erhebung des Instituts Sotomo für die Migros ergab, dass nur zwölf Prozent den Nachhaltigkeitsversprechen von Unternehmen vertrauen.
Und drittens haben grosse Unternehmen dabei ein spezielles Risiko: Wenn sie sich allzu eifrig mit Nachhaltigkeit und Vorbildlichkeit profilieren möchten, geraten sie ins Visier von Organisationen, die sich selber damit profilieren, das Fehlverhalten von grossen Unternehmen zu kritisieren. Was dann wiederum von dem Medien gern aufgenommen wird.
  • Zum Thema: Häme statt Verständnis: Nestlé Deutschland musste Imagefilme abschalten.
Das Problem: In solchen Situationen wird es schwierig, das Gegenteil zu beweisen – denn die perfekte Nachhaltigkeit gibt es nicht.
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Und so häufen sich inzwischen die «Greenwashing»-Vorwürfe, es gibt «Greenwashing»-Lauterkeitsklagen, «Greenwashing»-Schmähpreise und «Greenwashing»-Gesetzesinitiativen.
Was also tun? Am Sonntag hatte man den Eindruck, dass die Migros zumindest eine pfiffige Spontanreaktion hinlegte. In der gleichen «Sonntagszeitung» stellte der Konzern in ganzseitigen Inseraten selber klar, dass er nicht perfekt ist: «An den eigenen Produkten rumnörgeln. Das ist Migros.»
Das mag ja nur Zufall sein. Aber im letzten «Migros-Magazin» wurde der Politologe Michael Hermann gefragt, wie sich Vertrauen schaffen liesse in die Nachhaltigkeitsversprechen der Unternehmen. Die Antwort: «Unternehmen sollten es mit Chris von Rohr halten: 'Meh Dräck'. Die Menschen wollen keine glattgebügelte Kommunikation in Sachen Nachhaltigkeit – auch nicht von der Migros. Diese ist glaubwürdiger, wenn sie die eigenen Mängel, Herausforderungen und Widersprüche benennt statt verschweigt. Unsere Studie zeigt, dass die Befragten durchaus differenziert auf die Nachhaltigkeitskampagnen von Unternehmen schauen.»

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