Plantbased: Wieso Geschmack nicht Wurst ist

Das Foodtech-Unternehmen Planted bringt seine erste Bratwurst aus Erbsen in die Läden. Im Gespräch erklärt Mitgründer Pascal Bieri, wo das einstige ETH-Spinoff nach vier Jahren steht – und wo es hingeht.

21.04.2023
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Pascal Bieri, Mitgründer von Planted Foods | Bild: PD Planted
Planted Foods gehört zu den Überfliegern der Plantbased-Branche. Das Zürcher Startup begann vor vier Jahren damit, pflanzenbasierte Lebensmittel herzustellen und setzte von Beginn weg auf mehrere richtige Pferde: Es entwickelte Technologien spezifisch für diese neue Lebensmittelkategorie. Es setzte den Geschmack und die Textur ins Zentrum seiner Entwicklungen. Es beschränkte die Zutatenliste auf eine Hand voll natürlicher Bestandteile. Und es machte Gelberbsen, die in Europa gepflanzt werden, zum Hauptbestandteil seiner Rezepturen.
Das zahlt sich heute aus. Im letzten September erreichte Planted den zweiten Platz bei der Vergabe des «TOP 100 Swiss Startup Award», weil es sein veganes Fleisch ohne Zusatzstoffe oder Chemikalien herstellt und damit zum Marktführer in der Schweiz geworden ist (im Jahr 2021 war es gar Platz 1 gewesen).
Fast zur gleichen Zeit konnte das ETH-Spinoff eine Serie-B-Finanzierungsrunde über 70 Millionen abschliessen; es steht damit in den Startlöchern für die weitere Durchdringung des europäischen Marktes.
Bereits jetzt liefert Planted vom Produktionsbetrieb im ehemaligen Maggi-Standort in Kemptthal (ZH) rund die Hälfte der Ware nach Deutschland, Österreich, Frankreich, Italien, Grossbritannien und in den Benelux. Tendenz steigend.
Der Hersteller plant nun eine zweite Produktionsanlage im europäischen Ausland, wie Pascal Bieri Konsider verriet.
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Produktionsstandort und Hauptsitz von Planted im «Valley» in Kemptthal (ZH) | Bild: Facebook / «The Valley»
Es würde keinen Sinn machen, die Nachbarländer aus der Schweiz heraus zu beliefern, wenn der primäre Rohstoff aus diesen nach Kemptthal gekarrt werden müsste: «Wir gehen dahin, wo die Nachfrage und unsere Protein-Rohstoffe wachsen. Wir wollen mit lokalen Proteinen lokal herstellen.» Damit will Planted auch seinen CO2-Footprint verringern.
Bieri strotzt angesichts der Wachstumspläne vor Zuversicht: «Wir sind die am schnellsten wachsende Firma Europas in unserer Branche. Eine gesunde Bruttoprofitabilität ist uns extrem wichtig – langfristiger Impact geht anders nicht.»
«Man findet zu viele Produkte in den Regalen, die man kein zweites Mal kauft.»
Die 70 Millionen Franken, die er letzten Herbst vom US-Private-Equity-Unternehmen LCatterton aus bei neuen und alten Investoren für die Weiterentwicklung einsammeln konnte, fliessen hauptsächlich in die Forschung und Entwicklung sowie ins Marketing – und natürlich in die neue Fabrikanlage im Ausland. Das Ziel: Marktleader in Europa zu werden.
Ist das gut angelegtes Geld angesichts des Nasenstübers, den die Branche gegenwärtig in Form von stagnierenden Verkäufen und Unlust bei Investoren erfährt?
«Einer der wichtigen Gründe für den stagnierenden Markt ist, dass viele Produkte nicht gut genug sind, um insgesamt mehr als ein paar Prozent der Konsumenten zu erreichen.» Momentan fände man zu viele Produkte in den Regalen, «die man kein zweites Mal kauft», kritisiert Bieri.
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Das Leitungsteam mit Lukas Böni, Christoph Jenny, Judith Wemmer und Pascal Bieri | Bild: PD Planted
Produkte, die von Detailhändlern im Hype der ersten Jahre auf den Markt geworfen wurden, aber auf konventionelle Weise mit Fleischcuttern produziert werden etwa. «Unser konstant stabiles Wachstum zeigt, dass unsere Produkte schmecken», glaubt Bieri. Die schlechte Qualität vieler Artikel aber würden die ganze Branche in ein schlechtes Licht stellen. «Das ist tragisch.» Die Planted-Crew feiere jede pflanzenbasierte Neuheit, die schmeckt – wie kürzlich eine Salami aus Deutschland.
Planted entwickelt laufend Methoden, um den Geschmack seiner Produkte zu verbessern: etwa durch Fermentierung wie bei der neuen Bratwurst. Die natürliche Methode verleiht dem Gemüsemix eine fleischliche Umami-Note. Aber auch durch das Clean-Label-Gebot, das von der Branche und Investoren inzwischen als Standard erkannt wird, um mehr Konsumenten anzusprechen.
Kritik an der Branche
Konkret: Die neuen Lebensmittel aus pflanzlichen Rohstoffen sollten weder unnötige (also unnatürliche) Ingredienzen enthalten, noch stark verarbeitet werden («High processing»). Um «nachhaltig» zu sein, sollen die Rohwaren weder aus weit entfernten Weltgegenden herangeschafft werden, noch umweltbelastend im Anbau sein – also zum Beispiel Bio-Qualität aufweisen.
«Die Schweiz wird niemals die Welt ernähren können, aber sie kann die Technologien dazu entwickeln, die sich überall in der Welt einsetzen lassen.»
Bieri sieht in den Eigenentwicklungen für die Herstellung nicht nur einen Vorteil gegenüber der Konkurrenz, sondern auch eine Möglichkeit, auf anderem Gebiet weiter zu wachsen: in der Verbreitung seiner Technologien. «Wir wollen möglichst viel Impact erreichen, auch wenn das beinhaltet, dass wir unsere technischen Innovationen anderen zur Verfügung stellen, um eine gewisse standardisierte Produktion zu ermöglichen.»
Die Idee dahinter: Statt lediglich pflanzenbasierte Lebensmittel exportiert die Schweizer Plantbased-Branche ihre dazugehörigen Erfindungen in der Prozesstechnik.
Planted hat bereits acht Patentfamilien angemeldet, von denen das Unternehmen überzeugt ist, dass sie international auf Anklang stossen werden. «Sie sind wirklich einzigartig und haben darum Chancen auf eine Anwendung», sagt Bieri. «Die Schweiz wird niemals die Welt ernähren können, aber sie kann die Technologien dazu entwickeln, die sich überall in der Welt einsetzen lassen.»
Umso schwieriger sei es, wenn einem Steine in die Wege gelegt würden, sagt Bieri. Er meint damit den Weiterzug eines Entscheids des Verwaltungsgerichts Zürich ans Bundesgericht. Dabei geht es um das Recht von Firmen wie Planted, ihre Produkte mit Tiernamen – zum Beispiel «Planted Chicken» – zu bezeichnen. Nachdem die kantonalen Richter darin keine Täuschungsabsicht des Unternehmens festgestellt hatten, stellte sich im Januar 2023 der Bund beziehungsweise das Eidgenössische Departement des Innern (EDI) quer.
«Haarspaltereien» nennt Bieri die Argumente des Bundes, «der Konsument ist mündig genug, um den Unterschied zwischen Planted Chicken und Chicken zu begreifen.» Das hätten die Zürcher Richter klargemacht. Bieri kann nur den Kopf schütteln über die Bundesbeamten, die der Branche Knüppel zwischen die Beine werfen.
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Soll auch weiterhin «Chicken» genannt werden können: Planted-Grillspiess | Bild: PD Planted
Muss seine Branche denn unbedingt Anleihen an fleischliche Gerichte machen, um Erfolg zu haben? «Ja, ich denke heute müssen wir unser pflanzliches Produkt in bekannten Zubereitungsformen wie Würste, Geschnetzeltes oder Burger liefern. Der Grund dafür sind tief verwurzelte Traditionen, die man nicht auf die Schnelle aufbrechen kann.»
Es brauche sieben Generationen, um das Essverhalten grundlegend zu verändern, habe der Zürcher Vegi-Gastronom Rolf Hiltl einmal gesagt.
«Unser Ziel ist durchaus, dass wir uns eines Tages vom 'tierischen Fleisch' als Formgeber emanzipieren»
Die Entwicklungsabteilung von Planted arbeitet aber mit Hochdruck an grösseren, komplexeren Strukturen, die der Konsument verkochen kann, wie er es möchte. «Unser Ziel ist durchaus, dass wir uns eines Tages vom 'tierischen Fleisch' als Formgeber emanzipieren», sagt Bieri. «Und dass wir Proteine herstellen, die noch bessere Aminosäuren-Komplexitäten haben als heutiges tierisches Fleisch. Die einen guten Biss haben und für die es gute Rezepte gibt. Die preislich attraktiv und gut für die Umwelt sind. Das sind die Ziele, von denen wir uns wünschen, sie eines Tages allesamt zu erfüllen.»
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